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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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des alten Jagdschlosses ausharren, von zwei Wächtern der Bruderschaft bewacht. Dann endlich war ihm die ersehnte Botschaft überbracht worden: Die Loge nahm ihn im Rang eines Raben auf.
    Die anderen Brüder waren alle in mittleren oder noch weiter fortgeschrittenen Jahren. Der Großmächtige Meister mochte sogar schon ein Greis von siebzig oder darüber sein. Mit seiner hageren, hochgewachsenen Gestalt, der gebogenen Nase, dem weiten schwarzen Umhang sah er wie ein riesengroßer Raubvogel aus. Niemand in der Bruderschaft hätte es gewagt, ihn mit seinem bürgerlichen Namen anzureden: Justus Hegendahl. Selbst die Lichtträger, die nur eine Rangstufe unter ihm waren, begegneten ihm mit einem Respekt, dem eine gehörige Portion Furcht beigemischt war. Es hieß, dass Meister Justus imstande sei, die mächtigsten Planetengeister und Höllendämonen herbeizuzwingen. Und Julian bezweifelte nicht im Geringsten, dass er über die hierfür nötigen Kräfte und Formeln verfügte.
    Der Großmächtige Meister begann zu sprechen und sofort kehrte gebannte Stille ein. »Gleich werde ich den ersten Geist beschwören, liebe Brüder«, rief er mit dröhnender Stimme, »wenig danach den zweiten Dämon. Zuvor aber lasst euch noch einmal ins Gedächtnis rufen, was ihr bei unseren früheren Treffen über Macht und Wesen der großen Geister erfahren habt.«
    Hochaufgerichtet stand er vor ihnen, die Arme ausge breitet, sodass er wahrhaftig einem großen schwarzen Vo gel glich. »Schwierig und gefahrvoll ist es«, fuhr er fort, »die gewaltigen Geister aus dem Weltraum oder aus der Unterwelt herbeizuzwingen. Denn es sind Wesen aus reiner Lebensenergie – und diese Energie ist die Kraft, aus der alles erschaffen worden ist: das Urfeuer, das Urlicht.«
    Unter den Brüdern erhob sich ein Raunen der Erregung, aber der Meister gebot ihnen mit einer Handbewegung Schweigen. »Selbst die kundigsten Magier können solche Dämonen immer nur für kurze Zeit unter ihren Willen zwingen – dann befreien sich die Geister wieder und fliegen davon. Denn ihre Natur ist unstet und flüchtig und ihre Kräfte sind fast unermesslich groß.«
    Sein stechender Blick streifte über die versammelten Männer. »Warum stellen wir derlei Experimente an, Brüder? Um die Gesetze des einen und einzigen Schöpfergottes zu brechen? Gewiss nicht, denn wir alle sind fromme und treue Diener unseres Herrn. Worum also geht es uns dann – um persönlichen Reichtum, um Macht über die Menschen? Auch das nicht, liebe Brüder, ihr alle wisst es.«
    Er legte eine kurze Pause ein. »Jeder Geist, jeder Dämon«, rief er aus, »besteht aus reiner Lebenskraft. Ein winzig kleiner Teil davon wäre genug, um alle Kranken und Schwachen auf dieser Erde zu heilen, um Alter und Sterben für immer zu besiegen. Doch damit wir die Menschen wirklich heilen können, müssen wir erst einmal lernen, wie man einen Funken von jenem Lebenslicht dauerhaft in der Materie befestigen kann – zum Beispiel im Leib unseres armen Freundes. Die heutige Beschwörung kann also nur ein kleiner Schritt auf unserem Weg sein – von unserem großen Ziel sind wir immer noch weit entfernt.«
    Er ließ seine Arme sinken und sein Blick ging in Richtung der Katakombentür. Julian senkte unwillkürlich die Lider – er fürchtete sich ein wenig vor dem durchbohrenden Blick von Meister Justus. Von ihm beobachtet zu werden, fühlte sich an, als ob einen glühende Spieße piekten. Aber natürlich suchte der Großmächtige Meister nicht ihn, den unbedeutendsten in der Bruderschaft. Auf seinen Wink hin wandten sich die beiden Wächter, die bei der Tür standen, um und riegelten auf. Zwei weitere Wächter eilten hinaus, um den »armen Freund« zu holen.
    Es war ein stadtbekannter Idiot namens Odilo, ein bedauernswerter junger Mann von kindischem Verstand und schreckhaftem Gemüt. Odilo hauste in einem Seitenflügel des ehemaligen Jagdschlosses. Von dort drang sein Winseln und Heulen bereits seit geraumer Zeit bis hinab ins Logengewölbe: Odilo spürte wohl, dass die Brüder ihn gleich wieder zu sich holen würden.
    Angeblich war er als ganz kleiner Junge von den Hexen im Bannwald eingefangen worden. Bis dahin war Odilo ein gewöhnliches Kind gewesen, das wie alle seines Alters sprechen konnte und nicht übermäßig schreckhaft war. Als er Wochen später wieder auftauch te, am entgegengesetzten Ende des Waldes, hatte er jedoch seinen Verstand verloren, und auch sein Gemüt war seither verstört. Er vermochte nur noch stammelnd

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