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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Lohenkamm war unterdessen von der Treppe ins Labor getreten. Mit misstrauischer Miene hörte er den Reden seines zungenflinken Famulus zu. »Wenn Er nur so hurtig mit Messer und Hacke arbeiten würde, wie Er beim Schwatzen sein Mundwerk bewegt! Unterdessen warten oben in meinem Laden die Leute in Scharen, weil Er mit dem Kochen des Elixiers nicht fertig wird.« Er trat an den Herd und beugte sich über den Bottich, um dessen brodelnden Inhalt zu begutachten. »Und wenn Er am Abend mit sämtlichen Aposteln verabredet wäre, Julian: Ehe der Trunk fertig gekocht und in Phiolen abgefüllt ist, kommt Er mir nicht aus dem Haus.«
    Julian ließ den Kopf hängen und antwortete nichts mehr. Verbissen arbeitete er weiter. Vor ihm auf dem Tisch häuften sich noch große Mengen von Kräutern in jeder erdenklichen Form und Farbe. Welk aussehende Halme, knorrige Wurzeln und Zweige voll roter Beeren.
    Der Apotheker sah seinem Lehrling noch einige Augenblicke bei der Arbeit zu, die Arme vor der Brust verschränkt. Er war ein mittelgroßer Mann in mittleren Jahren, mit einem fleischigen Gesicht und struppigem schwarzem Spitzbart. Über einem eng anliegenden Wams und ebenso knapp geschneiderten Hosen in kräftigen Rot- und Grüntönen trug er eine lange schweinslederne Schürze, die sich über seiner Mitte wölbte. Das lag nicht nur an seinem Bauch, sondern mehr noch an der prall gefüllten Münztasche: Die trug er tagsüber am Gürtel und bewahrte sie nachts unter seinem Kopfkissen auf.
    Glücklicherweise hatte Jungfer Hildegunde von ihrem Vater weder die Knollennase noch den argwöhnischen und raffgierigen Charakter geerbt. Das sagte sich zumindest der Famulus, während sein Lehrherr nach einem letzten strengen Blick wieder die Kellertreppe emporstapfte.
    Eines war jedenfalls klar: Julian musste sich ranhalten, wenn er heute Abend rechtzeitig zum Treffen seiner Bruderschaft erscheinen wollte. Und auf der ganzen Welt gab es nichts, was ihm wichtiger gewesen wäre – mit Ausnahme von Jungfer Hildegunde.
    Konzentriert arbeitete er nun eine ganze Weile lang weiter. Schaute ab und an in seiner Kladde nach, was dort unter der Überschrift »Eyn spagyrischer Wundertrunk – von allen guthen Geistern« verzeichnet stand. Dann schnitt und schaufelte er wieder Mengen zerhäckselter Blätter und Wurzeln in den Bottich. Ab und zu rührte er mit einem krummen Ast um oder legte Holzklötze im Ofen nach, wenn die Glut schwächer wurde.
    Währenddessen überlegte Marian verzweifelt, wie er Julian aus dem höllischen Kellerloch ins Freie manövrieren könnte. Diese Arbeit war ja grauenhaft. Der Famulus schnitt und schwitzte, hackte und keuchte. Ab und an wischte er sich mit einem schmutzstarrenden Lumpen, der zwischen Messern und Kräutern auf dem Tisch lag, über das Gesicht. Einmal begann er ein Lied zu pfeifen, wohl um seine Laune ein wenig aufzuhellen – aber er ließ es gleich wieder sein. Stumm und verbissen arbeitete er weiter, während vom Kirchplatz her die Stundenschlä ge bis in sein Gewölbe herunterdröhnten. Vier Uhr – fünf – sechs. Und immer noch häuften sich entmutigende Mengen unverarbeiteter Kräuter, Strünke, Wurzeln vor ihm auf dem Tisch.
    Noch zwei Stunden, dachte Julian. Wenn ich nur schon besser über die Geister gebieten könnte, dann hätte es mit der elenden Plackerei längst ein Ende. Sylphen und Elfen würde ich einfach aus ihren Wald- und Moorlöchern herbefehlen – und schwups müssten sie mir den spagyrischen Trunk zusammenrühren! Aber um derlei geheime Künste zu erlernen, darf ich mich gerade heut Abend auf keinen Fall verspäten. Die ehrwürdigen Brüder sind ohnehin schon erbost, weil ausgerechnet ich, der kleine Neuling oder Rabe, meist erst herbeigehetzt komme, wenn der große Meister die Arme fast schon erhoben hat, um die zauberische Grußformel zu singen. Aber das liegt doch nur am Herrn von Lohenkamm – der würde mich am liebsten Tag und Nacht hier unten einsperren. Nur aus Angst vor seinem Zunftmeister lässt er mich zumindest abends ein paar Stunden aus dem Haus.
    Und er hackte wie besessen auf ein Alraunmännchen ein – eine Wurzel von der Form eines winzig kleinen Menschen, die gegen nahezu jedes Gebrechen half. Der pulverisierte Wurzelkopf gegen Schädelweh, gesottene Arme und Beine gegen Gliederreißen, die gehäckselten Zehen gegen Hühneraugen.
    Marian war mit seinen Kräften längst am Ende. Dabei waren es ja Julians Hände, die mit Messer, Hacke, Schippe hantieren mussten. Julians

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