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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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alten Weibes klang. Aber der Famulus wandte keinen Gedanken mehr an seinen hartherzigen Lehrmeister – unter dem kunstvoll bemalten Türschild mit der Aufschrift Apotheke am Bürgerspital sprang er auf die Herrenga sse hinaus und eilte im Laufschritt auf den Kirchplatz zu.
    Genau diesen Weg war vor Kurzem auch Marian entlanggegangen – in 333 Jahren minus 9 Stunden, dachte er und brachte damit Julian fast ins Stolpern. Was kriecht mir da nur neuerdings Krauses durch den Geist, grübelte der Famulus – von einer fernen Zukunft, in der ich auch hier in Croplin umherliefe, doch als ein ganz anderer Kerl!
    Er schüttelte den Kopf und beschleunigte seine Schritte wieder. Gleich Viertel vor acht, ich muss mich sputen, sonst spricht der Logenmeister noch den Bannspruch über mich, wie er’s mir letzthin androhen ließ! Nicht dass der großmächtige Herr Justus Hegendahl höchstpersönlich mit einem kleinen Raben wie Julian Hallthau sprechen würde. Aber ausrichten ließ er’s mir, und das war arg genug, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen: »Wag Er’s noch einmal, die Ankunft der Geister durch verspätetes Herbeipoltern zu stören, Novize – und die Bruderschaft der Rosenspiegler sperrt Ihn für alle Zeit und Ewigkeit aus ihrem Zirkel aus.«
    Herrje, nur das nicht, dachten Marian und Julian zur gleichen Zeit und fingen an zu rennen. Das alte Jagdschloss, in dem die Bruderschaft »Zu den Rosenspiegeln« ihre Treffen abhielt, befand sich auf einem kleinen Hügel vor den Toren von Croplin, umgeben von Wäldern und Moorseen. Auf polternden Holzschuhen hetzte der Famulus durch das Stadttor im Westen und den gewundenen Weg zum Schloss hinauf.
    Der ehemals prächtige Bau war vor einem halben Jahrhundert von den kriegerischen Schweden beschossen worden. Der damalige Graf von Croplin hatte sich erst ergeben, als sein Schloss zur Hälfte in Flammen stand. Die Ruine war nicht mehr wiederaufgebaut worden und seitdem noch weiter verfallen. Zwei der vier Türme waren eingestürzt, die Fassade war rußgeschwärzt. Durch klaffende Fensterhöhlen flogen Dohlen und Fledermäuse. Im Schlosshof, wo früher einmal adlige Fräulein gelustwandelt waren, wuchsen mittlerweile Bäume und Sträucher zwischen geborstenen Pflastersteinen. Rosenhecken und Brombeergestrüpp rankten sich an halb eingestürzten Mauern empor. Für die Bruderschaft der Rosenspiegler, die sich in den Katakomben unter der ehemaligen Schlosskapelle traf, war es ein idealer Versammlungsort.
    Keuchend und schwitzend polterte Julian über den Schlosshof und die schmale Treppe unter der Kapelle hinab. Unten schlug er mit der Faust dreimal und dann noch dreimal gegen die mit Eisenbändern beschlagene Tür, wie es unter den Brüdern vereinbart war. Sein Klopfen vermischte sich mit dem Geläute vom Kirchturm unten im Städtchen: Es war Glockenschlag acht Uhr.

17

    Mit einem Kohlestück zeichnete der Großmächtige Meister einen Kreis auf den Boden der Katakombe und malte dann einige Siglen hinein: Adler und Drache, das geöffnete Auge und den magischen Fünfzack, das Pentagramm. In die Mitte des Kreises stellte er die irdene Schale, die er zuvor mit einem geheimnisvollen Pulver gefüllt hatte: das »Salz des roten Sonnenlöwen«.
    Als Novize musste Julian ganz hinten in der letzten Reihe stehen. Selbst wenn er sich auf die Zehenspitzen reckte, bekam er zu seinem Kummer nicht allzu viel von den Ereignissen dort vorne mit. Bloß ab und an schaffte er es, zwischen den Köpfen und Rücken der Männer vor ihm einen Blick auf die Stelle zu erhaschen, wo die Beschwörung gleich beginnen würde.
    Aber daran war vorläufig nichts zu ändern. Er durfte schon froh sein, dass sie ihn überhaupt dabei sein ließen. Die anderen Brüder der Loge »Zu den Rosenspiegeln« nahmen allesamt höhere Ränge ein als er. Außer dem Großmächtigen Meister und seinen sechs Lichtträgern gab es noch 13 sogenannte Wächter – und auf der untersten Stufe, bei den »Raben«, einzig ihn.
    Erst vor wenigen Monaten war Julian in die Loge aufgenommen worden, und auch das nur auf Probe, denn eigentlich war er noch zu jung. Doch bei der Befragung durch die Lichtträger hatte er beachtliche Kenntnisse und vor allem eine brennende Leidenschaft für die magischen und alchimistischen Geheimnisse offenbart. Die Lichtträger hatten dem Großmächtigen Meister Bericht erstattet und sich dann quälend lang mit ihm beraten. Die ganze Nacht über musste Julian damals in einem der halbwegs erhaltenen Türme

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