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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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beinahe platzte: Was sollte er nur machen, damit Hanno Bußnitz endlich weiter von den Baumsärgen und Riten erzählte?
    »Sie haben gerade von der Zeremonie geredet«, sagte er schließlich.
    Der Professor schaute wieder in den Rückspiegel. »Wir sind gleich beim Hotel, gnädige Frau«, sagte er in dem zuvorkommenden Tonfall, den er gegenüber Linda immer anschlug. Sehr viel leiser fügte er in Marians Richtung hinzu: »Davon ein andermal, Junge. Komm demnächst mal bei mir vorbei. Dann zeige ich dir eine Kopie des Höhlengemäldes mit der magischen Zeremonie. Das interessiert dich also?«
    »Und wie«, antwortete Marian aus tiefstem Herzen.
    Sie erreichten den Stadtrand von Croplin. Windschief hingeduckte Fachwerkhäuser säumten schmale Gassen, die wie vor Jahrhunderten mit krummbuckligen Katzenkopfsteinen gepflastert waren. Auch über den Dächern des Städtchens schienen gelbe Nebelschwaden zu schweben. Selbst das Licht aus den altertümlichen Straßenlaternen kam Marian gelbstichig und irgendwie giftig vor.
    Die Glocken schlugen zur zehnten Abendstunde, als der schwarze Cadillac vor dem Hotel »Moorgraf« vorfuhr. Sämtliche Fenster des zweigeschossigen Fachwerkbaus waren hell erleuchtet. »Ein ganzes Haus voller Hegendahls«, wie Hanno Bußnitz kommentierte. Er ließ sich nicht anmerken, was er von diesem Ansturm der Blutsverwandten hielt, die seinen alten Freund Marthelm zeitlebens gemieden und von allen Familienfeiern möglichst ausgeschlossen hatten.
    Trotz seines Alters war er als Erster aus dem Wagen und hielt Linda die Fondtür auf. »Vielen Dank – trotz allem«, sagte sie.
    Der Professor deutete eine Verbeugung an. »Es war mir eine Ehre, Sie herzubringen – gerade mit diesem Wagen, gnädige Frau. Marthelm hat ihn mir kurz vor seinem Tod vermacht.« Er öffnete den Kofferraum, nahm Lindas und Marians Gepäck heraus und reihte Koffer und Taschen nebeneinander auf dem Bürgersteig auf. »Ich erinnere mich noch genau an seine Worte«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, »als er mir den Autoschlüssel überreicht hat: ›Nicht mal diese Zeitmaschine aus Blech und Rost sollen meine lieben Verwandten von mir erben.‹«
    Er zwinkerte Marian zu und schüttelte der verdutzten Linda die Hand. Dann schwang er sich unerwartet behände in seinen Wagen und schnurrte davon.

5

    Der Leichenprediger stand an der Stirnseite des offenen Grabs. Er trug keinen Talar, sondern einen altmodischen schwarzen Frack mit einer goldbestickten Schärpe darüber und auf dem Kopf einen hohen schwarzen Hut. Mit feierlichem Gesichtsausdruck sah er sechs weiteren Männern entgegen, die genauso seltsam gekleidet waren wie er: mit Zylinder und Frack, Schärpe und sogar einer Art Lendenschurz über ihren schwarzen Anzughosen.
    Mit langsamen, exakt abgezirkelten Schritten trugen sie den Sarg über den Hauptweg des Friedhofs auf das Erdloch zu. Drei Mann an jeder Seite des massiven Holzkastens, dessen glänzend schwarze Lackfarbe Marian an den Cadillac erinnerte. Ihre Bewegungen wirkten trauervoll und doch beschwingt, dabei mussten auch sie schon mindestens siebzig sein. Je näher sie kamen, desto deutlicher sah er, dass ihre Schärpen und Schurze mit geheimnisvollen Zeichen bestickt waren. Zirkel und Winkelmaß, goldene Pentagramme und immer wieder das Symbol eines weit geöffneten Auges.
    Was hatte das zu bedeuten?
    Seltsam war auch, dass Hanno Bußnitz nicht zur Beerdigung seines Freundes zu kommen schien. Linda und Marian standen einige Schritte von Marthelms Grab entfernt, dafür jedoch auf einem kleinen Podest, von dem aus sie alles gut beobachten konnten. Ungefähr drei Dutzend Leute waren an diesem Sonntagvormittag auf dem Friedhof von Croplin versammelt. Die Sonne brannte schon wieder vom Himmel, der so wolkenlos wie gestern war, allerdings auch wieder mit diesen gelben Schleiern verhangen.
    Die Sargträger hatten Mühe, sich einen Weg zu bahnen: Die »Hegendahl’sche Brut«, wie Linda ihre liebe Verwandtschaft nannte, drängte sich um das offene Grab. Onkel und Tanten, Großonkel und Großtanten von Marians Vaterseite her, die er in seinem Leben größtenteils erst drei oder vier Mal gesehen hatte. Sie zertrampelten die umliegenden Grabstätten, zischten ihre Kinder zu sich her oder unterhielten sich mit ihren Nebenleuten. Sie schauten gelangweilt oder ungeduldig, sahen erwartungsvoll oder übernächtigt aus – nur traurig über Marthelms Tod schien niemand von ihnen zu sein. Über das Ableben des »durchgedrehten Alten«,

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