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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Lichtgeschwindigkeit gescannt. Genauso schnell verständigten sie sich über das Ergebnis: hochgezogene Augenbrauen, gerümpfte Nasen.
    Na, wenn schon, sagte sich Marian. Was interessierten ihn diese hochnäsigen Stinknormalos? Schon gestern Abend, als Linda und er hier in der Gaststube noch einen kleinen Imbiss bestellt hatten, waren sie von allen Seiten in der gleichen Weise taxiert worden: Sieh an, die Loser-Fraktion. Kein Geld, kein Success, kein Stil. Wen wunderte es da, dass nicht mal Christian, das schwarze Familienschaf, es mit diesen beiden ausgehalten hatte?
    Lustlos rührte Marian in seiner Suppe. Irgendein Aaron oder Lasse laberte ihn von der Seite an, aber er drehte sich nur demonstrativ von ihm weg. Er musste es ir gendwie schaffen, mit den Freimaurern zu reden – auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er das Gespräch beginnen sollte. Er konnte diesen Dr. Godobert oder einen seiner Brüder ja nicht einfach mit dem Ellbogen antippen: »Entschuldigung, würden Sie mir mal bitte zeigen, wie man einen Geist beschwört?«
    Marian schaute von seinem Teller auf. Fing er tatsächlich schon an, Geister zu sehen? Ihm gegenüber, draußen vor dem Fenster zum Hinterhof des Hotels, stand ein Mädchen, ungefähr in seinem Alter. Sie gehörte ganz bestimmt nicht zur »Hegendahl’schen Brut« – viel zu hübsch und, vor allem, zu nachlässig zurechtgemacht. Blonde Haarmähne mit einem Stich ins Kupferne. Brennend blaue Augen, sehr helle Haut. Das karierte Hemd war ihr zu groß und außerdem falsch geknöpft. Neugierig schaute sie zum Fenster hinein, legte sogar eine Hand über die Augen, um trotz der Sonnenspiegelung etwas zu erkennen. Erst als sie zurückgrinste, merkte Marian, dass er sie angestarrt hatte.
    »Hey, was ist das denn für ’ ne Dorftrine?«, johlte zu seiner Rechten Jannik oder Lasse.
    »Bestimmt die ›Miss Moor‹ von Croppelsdorf«, antwortete Inka oder Jessica und wollte sich wegschmeißen vor Lachen.
    »Yes, please give me more!«, schrie der Dritte der Bande, und da stand Marian einfach auf.
    Eben kamen wieder die Kellnerinnen, räumten Suppenteller ab und tischten Platten voll köstlich duftendem Blechkuchen auf. Aber in dieser Gesellschaft würde er sowieso keinen Bissen runterbringen. Stumm zwängte er sich an seinen Verwandten vorbei und ging durch die Gaststube zum Ausgang. Linda rief ihm etwas hinterher, aber er zuckte nur mit den Schultern. Für einen Moment kam es ihm so vor, als ob ihm auch der Logenmeister aus dem Nebenraum ein Zeichen gemacht hätte. Doch er ging einfach weiter, ohne auf irgendwen zu reagieren.
    Bestimmt hatte er sich sowieso geirrt. Warum sollten diese unheimlich gut gelaunten Brüder überhaupt zur Kenntnis nehmen, dass er existierte? Für sie mussten die Hegendahls ein einziger Haufen verlogener Raffhälse sein: Sein Leben lang hatten sie Marthelm geschnitten, als Verrückten beschimpft – und jetzt konnten sie gar nicht schnell genug angereist kommen, um sich ihren Teil aus seiner Hinterlassenschaft zu sichern.
    Und sie haben ja recht, dachte Marian. Auch was ihn selbst und Linda betraf – der einzige Grund, warum sie beide die weite Reise auf sich genommen hatten, war ihre Hoffnung auf ein paar Nuggets aus Marth elms Schatztruhe.
    Die Gaststubentür stand weit offen. Er trat hindurch und wandte sich draußen im Gang nach links. Ohne sich groß zu überlegen, was er da eigentlich machte, ging er zur Hintertür des »Moorgrafen« und hinaus in den Hof.
    Es war einfach ein enger, mit Containern und Mülltonnen überfüllter Gasthaushinterhof. Entsprechend roch es nach Lebensmittelabfällen und verschüttetem Bier. Von dem Mädchen mit den brennend blauen Augen war weit und breit nichts zu sehen.
    Unschlüssig ging Marian ein paar Schritte in den Hof hinein und drehte dann gleich wieder um. Durch das Fenster konnten seine Cousins und Cousinen ihn hier draußen natürlich genauso beobachten, wie er vorhin das Mädchen angestarrt hatte. Was mach ich hier eigentlich?, dachte er.
    Weil ihm darauf keine überzeugende Antwort einfiel, schob er die Hände in die Jeanstaschen und ging langsam, den Kopf gesenkt, zurück in Richtung Tür.
    »Marian?« Er schaute auf und da stand der hochgewachsene Logenmeister vor ihm. Dr. Karl Godobert, kein anderer, immer noch mit Schärpe, Schurz und alledem. Aus einem Labyrinth feiner Falten blickten ihn wasserblaue Augen heiter an. »Du bist doch Marian Hegendahl, der Urgroßenkel des Verstorbenen?«
    Marian schaffte es zu nicken.

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