Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
Vom Netzwerk:
tausend solcher Trugbilder um dich herum. Locken dich ins Verderben, seufzen, schreien, lachen, heulen, bis du überhaupt nicht mehr weißt, wo du bist, wo du herkommst, wie du da jemals wieder rauskommen sollst.«
    Er dachte einen Moment lang darüber nach. »Ist schon klar«, sagte er dann. »Aber wieso gerade du? Warum hab ich nicht irgendwelches anderes Visionszeug gesehen, sondern ausgerechnet dich?«
    Billa runzelte die Stirn. Ihr Gesicht nahm allmählich wieder seine normale Farbe an. »Vielleicht, weil ich für dich wichtig bin? Verstehst du nicht, Marian«, fuhr sie eifrig fort, als er sie unterbrechen wollte. »Das könnte doch sein – dass jeder, der in den Wald gerät, gerade mit den Wunsch- und Angstbildern in die Irre geführt wird, die bei ihm am stärksten reinhauen?«
    Darüber dachte Marian wieder einige Augenblicke nach. »Könnte tatsächlich sein«, sagte er schließlich. »Über Voodoomagie hab ich mal was Ähnliches gelesen. Es gibt da so einen ziemlich krassen Zauber. Die Leute erschrecken sich praktisch zu Tode – wobei jeder von ihnen genau das erlebt, wovor er am allermeisten Angst hat. Das ›Prinzip Horrortrip‹ hieß das in dem Buch.«
    »Und wie hieß das Buch?«
    »How to Create Zombies.«
    »Puh«, machte Billa.
    Einige Zeit lang sagten sie beide gar nichts mehr. La gen nur eng beieinander und ab und zu streichelte Marian über Billas Schulter. Oder einer von ihnen hob im Liegen seinen Kopf, um einen Schluck aus der Coladose oder ein paar Chips aus der Tüte zu nehmen.
    »Also schön«, sagte er irgendwann. »Jetzt zu dem Ding, das du in meiner Hand gesehen hast.«

42

    Ohne Billa von seiner rechten Schulter rutschen zu lassen , fischte Marian das Talmibro aus seiner linken Jeanstasche. »Mein Onkel – Urgroßonkel – Marthelm hat es mir geschickt«, sagte er. »Zusammen mit einem Brief, den ich bei seiner Beerdigung bekommen habe. Es ist ein …«
    Billa wollte es ihm aus der Hand nehmen, aber er gab es nicht her. Sie starrte das Muschelding an und schien nicht zu begreifen, wofür es gut war. Natürlich nicht.
    »Marthelm nannte es Talmibro«, fuhr er fort und dreh te es vor ihrem Gesicht hin und her. »Es ist – also, wie soll ich sagen – eine Art magischer Apparat. Du glaubst jetzt vielleicht, dass ich spinne oder dich auf den Arm nehmen will – aber ich meine es total ernst, Billa: Dieses Ding hier ist so was wie eine Zeitmaschine. Man kann damit in die Vergangenheit reisen. Ich hab das in den letzten Tagen schon ein paarmal gemacht.«
    Er zog seinen Arm unter ihr weg, nahm das Talmibro in beide Hände und riss es mit einem Ruck auseinander.
    Billa stieß einen Laut aus – halb Erschrecken, halb Ekel. »Oh Mann, Marian – ist das irgend so ein Urzeitvieh?«
    »Ehrlich gesagt – keine Ahnung. Marthelm nannte es ein magisches Instrument. Aber ich finde auch, es hat was von einem vorsintflutlichen Tier.« Er hielt es ihr nä her vors Gesicht. Seine Arme zitterten, so stark war der Gegendruck, mit dem sich das Talmibro wieder zu sammenzuziehen versuchte. »Schau trotzdem mal rein, Billa – erkennst du irgendwas?«
    Mit schmalen Augen starrte sie in den verschwommen grauen Spiegel zwischen den Zeilen. »Mich selbst seh ich – na ja , mehr so wie unter Wasser … Aber was ist das jetzt … hey, Mann, tu das weg!« Ihre Stimme klang plötzlich panisch. Ihre Augen wurden weit vor Entsetzen, im Gesicht war sie mit einem Mal wieder mehlweiß. »Tu das weg – bitte«, flüsterte Billa.
    Er wollte das Talmibro schon wieder zurückziehen, da kam ihm eine Idee. Offenbar zeigte ihr das Ding etwas ganz anderes als das, was er sonst immer dort zu sehen bekam. Nicht Julian in seiner Welt, sondern –? »Sofort«, sagte er, »Sekunde noch.«
    Er schob seinen Kopf so nah wie möglich neben ihren und spähte angestrengt ins Talmibro.
    Und dann vergaß er vor Schreck zu atmen: Es zeigte niemand anderen als sie. Zweifel ausgeschlossen, das war Billa – oder zumindest so was wie ihre Albtraum-Schwester. Sie trug ziemlich genau so ein rotes Kleid, wie Billa es heute anhatte, und ihr Gesicht war zu einer boshaften Fratze verzerrt. Flammen schossen aus ihren Augen, Funken sprühten aus ihren Haaren, die mit Spinnweben, Walddreck, sogar mit Würmern und Spinnen gespickt waren. Wo war sie da drüben? In einem finsteren Dickicht, dem Hexenholz oder sonst einem Spukwald. Sie ritt auf einem wirbelnden Etwas, das halb wie ein galoppierendes Pferd aussah und halb wie ein Haufen Laub, den der Wind

Weitere Kostenlose Bücher