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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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es mir unter die Nase reibst?«
    Er sprang die Stufen wieder runter, mit einem Satz. Wo die Sonnenblumen emporgewachsen waren, die Juli an als Versteck für seine Karre gedient hatten, stand jetzt ein hässliches Betonhäuschen – wahrscheinlich für Mülltonnen und solche Sachen. Aber mit drei langen Schritten von hier über die Straße und dann drüben mit Schwung über das Eisentor – das ging noch genauso wie vor 333 Jahren. Beziehungsweise gestern Abend.
    Aber heute besser nicht. Billa war wieder bei ihm, sie hängte sich links bei ihm ein und schien völlig vergessen zu haben, dass er ihr noch eine Antwort schuldig war. »Gehen wir zu mir?« Sie grinste ihn an und ließ ihre Au gen blaue Funken sprühen.
    »Zu deinen Hexenweibern? Erst wenn du mir verrätst, was ihr heute da draußen im Moor getrieben habt.«
    Sie zuckte zusammen. »Das wollte ich dir schon vor hin erzählen«, antwortete sie und ihre Stimme klang ein we nig zittrig. »Aber du musstest ja gleich zu deinen Logenbrü dern.«
    »Okay – und was habt ihr also bei dieser Steinzeitei che gemacht?«
    Sie verkrampfte sich am ganzen Körper. Marian spürte es genau, weil sie sich bei ihm eingehängt hatte – auf einmal war es, als ob er ein totes Stück Holz neben sich herschleifen würde.
    Er blieb stehen und sah ihr ins Gesicht. »Meine Mutter ist zufällig da draußen rumgewandert«, sagte er leise. »Sie hat’s gesehen und mir alles erzählt. Warum habt ihr das gemacht?«
    Billa ließ den Kopf hängen und verbarg ihr Gesicht in ihrer freien Hand. »Oh Mann, Marian«, flüsterte sie. »Klotha und die anderen zwingen mich dazu. Wir machen das jeden Sommer aufs Neue.« Sie fing an zu schluchzen.
    »Was macht ihr?«, fragte er.
    »Na ja – ihn verbrennen, Jakob halt, diese Jakob- Puppe aus Stroh. Sie sagen, wir müssen alles an ihm tö ten, was ihn da drinnen im Wald gefangen halten kann. Nur so kann er wieder freikommen.«
    Marian brauchte einen Moment, bis er ihr antworten konnte. Zumindest sollte die Puppe nicht mich darstellen, dachte er, doch besonders erleichtert fühlte er sich nicht. »Aber du glaubst doch nicht etwa an solchen Hexenkram?«
    Sie schüttelte halbherzig den Kopf und hob gleichzei tig die Schultern. »Klotha sagt, wenn ich nicht mitmache, darf ich nächstes Jahr nicht mehr kommen. Denn dann gäbe es sowieso keine Hoffnung mehr, Jakob zu befreien.« Als sie ihn ansah, schimmerten in ihren Augen wieder Tränen. »Mein Leben ist nur noch ein Albtraum, Marian, seit Jakob verschwunden ist. Aber wenn du mir hilfst, ist er bald vorbei.«
    Sie warf sich ihm in die Arme – so heftig, dass er fast das Gleichgewicht verlor. »Gehen wir jetzt zu mir? Du bist mir auch noch eine Erklärung schuldig.«
    »Was denn?«, fragte er, obwohl er genau wusste, was sie meinte.
    »Na, dieses Ding, das du in der Hand hattest – heute Nachmittag, im Schlaf?«
    Das Talmibro. Eben noch war er drauf und dran gewesen, ihr zu erzählen, wie er in Julians Welt rüberkam und was dort so alles passierte. Aber jetzt nagte in ihm wieder der Zweifel, ob und wie weit er ihr trauen durfte.
    Sie sah ihm in die Augen – so nah, dass ihre Wimpern gegen seine Nase streiften. »Ich hab dir alles von mir erzählt«, flüsterte sie. »Dir gezeigt, wie ich da hause, wie sie mich behandeln, obwohl mir das alles total peinlich ist. Und du, Marian …«
    Bevor sie weiterflüstern konnte und womöglich wie der anfing zu schluchzen, gab er sich einen Ruck. »Okay, schon gut.« Er legte seine Arme um sie und zog sie an sich. Der muffige Geruch ihres Hexenkleides stieg ihm in die Nase. Aber er drückte sein Gesicht in ihr Haar, das frisch und überhaupt nicht nach Hexe roch. »Ich erzähl dir auch alles, versprochen«, flüsterte er in ihr Ohr. »Aber nicht, dass du dich hinterher beschwerst.«

41

    »Ziemlich genau hier war das Loch. Groß genug, dass ein Junge wie Jakob durchkriechen konnte.« Billa zeigte auf eine Stelle im Zaun, ganz unten, wo die Drahtmaschen von Unkraut überwuchert wurden. Disteln, Wicken, blutrot blühender Mohn. »Sie haben’s dann gleich zugemacht – praktisch im selben Moment, als sie aufgehört haben, nach Jakob zu suchen.«
    Ihre Hände hatte sie gefaltet und in seine Armbeuge eingehängt. Erwartungsvoll schaute sie ihn von der Seite an. So als ob er sich gleich über diesen Zaun schwingen und Jakob todesmutig aus dem Hexenholz hervorziehen würde. Aber Marian legte nur den Kopf ein wenig zu rück, um sich den Zaun von oben bis unten

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