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Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
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überhaupt nicht, was das Bündel enthielt.
    Er glaubte einfach, dass es wertvoll sein musste, weil eine Frau wie Maria in diesen Deal verwickelt war. Und vor allem wusste er nicht, wo er jetzt suchen musste. Denn offenbar war er hier erst eingedrungen-gen, als sie die Maske schon im Garten verbuddelt hatte.
    »Basta! So wird das nichts.« Der Junge knallte eine Schranktür zu und war mit einem Satz bei Carmen. »Wo hast du die Maske?«
    Seine Flöte war gar keine Flöte – eine lange, dünne Klinge schnellte aus dem mehlweißen Rohr hervor. Und überhaupt schien alles, was sie sich eben zurechtgelegt hatte, bloßes Wunschdenken zu sein.
    »Die Maske?«, wiederholte Carmen. Ganz langsam hob der Junge sein Messer, bis es vor ihrer Kehle schwebte. »Ich weiß gar nicht, wovon du – «
    »Lassen wir den Blödsinn.« Völlig unerwartet ließ er die Hand mit dem Messer wieder sinken und sah Carmen fast bittend an. Er schielte ein winzig kleines bisschen. Seine Augen sahen einen Hauch zu weit nach innen und in ihrer Verwirrung dachte Carmen, dass ihn dieses kaum wahrnehmbare Schielen noch anziehender machte.
    »Uaxac Yol Kauil – Acht Herz des Überflusses«, fuhr der Junge fort.
    »So nennen sie den Maisgott und sie wollen die Maske ihres Gottes zurückhaben. Die Maske und die anderen heiligen Sachen, die deine Mutter und mein Vater ihnen gestohlen haben.«
    Carmen machte den Mund auf und gleich wieder zu. Sie wich einen Schritt zurück und dann noch einen, in Richtung der Verandatür.
    »Dein – Vater?«, gelang es ihr endlich zu sagen.
    Mit einer eleganten Handbewegung ließ der Junge die Klinge in dem weißen Röhrchen verschwinden. Es sah wie ein Blasrohr aus, dachte Carmen, wie die Waffe eines primitiven Kriegers, aus dem Knochen eines Feindes oder Beutetiers geschnitzt. »Ich bin Pedro«, sagte er in seinem melodischen Spanisch. »Xavier Gómez, den sie zusammen mit deiner Mutter geschnappt haben, ist mein Vater. Ich dachte, das hättest du längst kapiert?«
    »Na ja, nicht – nicht so ganz«, stammelte sie. »Ich heiße Carmen und ich – also, ich glaub das alles nicht. Du erzählst mir doch einfach so eine verrückte Geschichte, oder?« Pedro schüttelte den Kopf.
    Aber Carmen spürte ja, dass es nicht bloß eine Geschichte war. Maria war wirklich verschleppt worden. Und ihre Entführer verlangten, dass sie die Maske wieder herausgab. »Wer sind denn diese Leute überhaupt?« Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen, fast ohne es zu merken. »Und was soll das heißen – die Maske und die anderen heiligen Sachen?«
    Pedro setzte sich ihr gegenüber an den wackligen Küchentisch.
    Sein Gesicht sah auf einmal ganz müde aus. Erschöpft und hoffnungslos. »Wer sie sind – das Thema lassen wir lieber. Ich weiß ja auch nur ganz wenig über sie. Ich soll nur ausrichten, was sie von euch fordern. Deine Mutter und die anderen Wissenschaftler sollen aufhören draußen im Wald zu graben. Sie schänden die Tempel der alten Götter. Aber die Götter und ihre Priester sind immer noch mächtig.« Pedro hob seine Hände und ließ sie auf den Tisch zurückfallen. »Die weißen Wissenschaftler sollen ihr Büro hier in Flores schließen und das Land verlassen. Vor allem aber sollen sie herausgeben, was deine Mutter den Göttern und ihren Priestern gestohlen hat. Die Maske von Maisgott Uaxac Yol Kauil und die Sonnenscheibe von Ahau Kin, ihrem Sonnengott. Die Jadefigur von Cha’ac, dem alten Regengott, und die Silbersichel von Ixchel, ihrer Mondgöttin.«
    Als er Carmen ansah, schimmerten in seinen Augen Tränen. »Drei Tage«, sagte er mit erstickter Stimme. »Wenn ich ihnen bis dahin nicht ihre heiligen Dinge zurückgebracht habe, wollen sie deine Mutter und meinen Vater töten.«
    Einen Moment lang sah Carmen ihn nur sprachlos an. »Aber wer sind denn diese Leute?«, rief sie dann. »Das sind doch Verrückte, oder? Wie können sie denn solches Zeug von alten Göttern und Priestern faseln – das ist doch alles seit tausend Jahren vorbei! Niemand glaubt doch heute mehr an Mais-oder Sonnengötter. Diese alten Maya-Leute sind ja seit ewigen Zeiten ausgestorben. Herrje, ihr lebt doch hier auch im einundzwanzigsten Jahrhundert – oder etwa nicht?«
    Pedro sah sie an und wieder schien es ihr, dass er ein kleines bisschen schielte. Er wirkte erstaunt über ihren Ausbruch. In seinen Augen sah sie, dass er sich mit etwas quälte, das älter sein musste als die Angst um seinen Vater. »Ausgestorben«, wiederholte er

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