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Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
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Jedenfalls nicht im flackernden Fackellicht und unter ihrer Bemalung, die wirklich ganz genau wie das Fell einer Raubkatze aussah.
    Aber was war das? Plötzlich hörten die zweiundzwanzig Jaguarpriester auf zu tanzen, alle zur gleichen Zeit. Starr blieben sie um den Altarblock herum stehen. Aus einer Wandnische vor der Stirnseite des Altars trat eine unförmige, vollkommen verfettete Gestalt. Sie war nur eine Armeslänge von ihnen entfernt. Weil Carmen und Pedro die Hände über dem Kopf gefesselt worden waren, streckten sie dem unförmigen Wesen tatsächlich ihre Arme entgegen.
    Die zweiundzwanzig jungen Jaguarpriester fielen jetzt allesamt auf die Knie. Der dicke Mann – falls es ein Mann war – machte einen watschelnden Schritt aus seiner Nische heraus und musste sich an der Wand festhalten. Er war offenbar betrunken oder von irgend-einem Rauschzeug benommen. Aber vielleicht war es auch eher eine Frau, die nun mit Bewegungen, als ob sie durch kniehohes Wasser watete, langsam auf sie zukam. Um die enormen Hüften trug sie – oder er – einen Schurz aus Jaguar feil. Die Haut war von Kopf bis Fuß mit Jaguarflecken bemalt. Fettig glänzende Haarsträhnen hingen der Person ins Gesicht und reichten ihr bis weit über die Schultern.
    Von welcher Farbe diese Haare waren, ließ sich eigentlich gar nicht sagen, so schmutzig und verfilzt waren sie. Dunkelgraue Strähnen wechselten sich mit rostroten Haarpartien ab. Und ob es Frau oder Mann sein sollte, was sich nun mit beiden Händen schwer vor Pedros Gesicht aufstützte, ließ sich noch viel weniger sagen. Birnenförmige Brüste hingen vor dem Oberkörper herab wie bei alten Großmüttern.
    Aber was sich da unter dem Jaguarschurz abzeichnete, passte überhaupt nicht zu dieser Frauenbrust.
    Ein bisschen unheimlich war das schon, dachte Carmen und tauschte einen raschen Blick mit Pedro. Der machte wieder mal große Augen. »Der oberste Jaguarpriester«, flüsterte er. Seine Pupillen waren riesig. Sie füllten praktisch die ganze Augenhöhle aus.
    »Der Seher von Tzapalil. Zwitter sind das Heiligste überhaupt. Zwillingspaare in einem Körper!«
    Der oberste Jaguarpriester? Schläfrig dachte Carmen über Pedros Worte nach. Diese fette Person war also ein Zwitter, Mann und Frau in einem? Plötzlich sprangen die jungen Jaguarpriester allesamt wieder auf und tanzten aufs Neue im Rhythmus der Trommeln um den Altar. Auf einmal hatten sie knochenfarbene Becher in den Händen und seltsame weiße Papierstreifen, die hinter ihnen herflatterten, wenn sie beim Tanzen in die Höhe sprangen.
    Die fette Person vor Carmen gab ein Geräusch von sich, halb Stöhnen und halb Schmatzen. Ihre Augen waren glasig. Sie schielten nach innen, als ob sie eine Schneise zwischen den beiden Körpern suchten, die Schulter an Schulter vor ihr ausgestreckt lagen. Stöhnend watschelte der oberste Jaguarpriester um den Altar herum. Mit einer Hand hielt er sich am Tisch fest, in der anderen funkelte das schwarze Messer. Die jungen Jaguare tanzten immer wilder, die Trommeln dröhnten noch rasender, wenn das überhaupt möglich war. Tief unter ihrer Benommenheit spürte Carmen auf einmal wieder diese ekelhafte Angst.
    »Pedro!« Sie flüsterte so laut, wie sie nur konnte, aber Pedro schien sie nicht zu bemerken. Er hatte seinen Kopf erhoben und sah mit verwaschenem Grinsen über seine Schulter nach hinten. Der fette Priester stand an seiner Seite, eine Hand auf den Altar gestützt. Seine andere Hand, in der er das Messer hielt, machte seltsame Bewegungen über Pedros Schultern. Es sah aus, als wartete er auf eine Eingebung, wo er ihm zuerst in den Rücken schneiden sollte.
    Schneiden. Mit dem Messer. In Pedros Rücken. Verzweifelt kämpfte Carmen gegen ihre Benommenheit an. »Pedro! Achtung!«
    Pedro drehte ganz langsam den Kopf und sah sie an. Dann wandte er sich genauso langsam zurück und wartete wieder, was der fette Priester machen würde. »Verdammt, er will dich schneiden!« Carmen schüttelte ihren Kopf hin und her. Tief unter der Betäubung spürte sie immer stärker diese kalte, ekelhafte Angst. Sie stieß Pedro an. »Mach doch was! Wirf dich vom Tisch. Mach irgendwas, sonst…«
    Die Worte zerbröselten ihr auf der Zunge. Der oberste Jaguarpriester hatte urplötzlich zugestochen, mit der nadelspitzen Klinge genau zwischen Pedros Schultern. »Ah, verflucht, tut das weh!«
    Pedro gab leise Wimmerlaute von sich. Das Messer fuhr im Zickzack über seinen Rücken. Blut tröpfelte aus den Rissen. »Hör

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