Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Bewegung, um Herder, der sich in Bückeburg nicht mehr wohl fühlte, auf den vakanten Posten des Generalsuperintendenten zu bringen. Den Herzog hatte er dafür gewonnen, bei der eingesessenen Geistlichkeit und bei der Behörde gab es Widerstand.
Lieber Bruder,
schreibt Goethe an Herder,
wir haben’s von jeher mit den Scheißkerlen verdorben, und die Scheißkerle sitzen überall auf dem Fasse. Der Herzog will und wünscht dich, aber alles ist hier gegen dich
. Herder galt als bedenklicher Freigeist, was den Herzog nicht abschreckte, andererseits wollte er sich nicht mit dem Konsistorium anlegen. Es sollte das Gutachten eines orthodoxen Theologen eingeholt werden. Auf Drängen Goethes verzichtete der Herzog darauf und berief Herder durch einen Machtspruch. Es war Goethe, der sich sofort um die Renovierung von Herders Amtssitz und Wohnung kümmerte.
Diese Angelegenheit verstärkte den Widerstand der Regierungsbehörden gegen Goethe. Als er am 11. Juni 1776 zum Geheimen Legationsrat mit einem Gehalt von 1200 Talern mit Sitz im Geheimen Consilium ernannt wurde, erklärte dessen bisheriger Vorsitzender, der altgediente Freiherr von Fritsch, seinen Rücktritt. Es gäbe, schreibt er, andere und erfahrenere Fachleute, die sich durch treue Dienste qualifiziert hätten und die man nicht übergehen dürfe. Er deutete an, daß er die Berufung Goethes für einen Fall von Günstlingswirtschaft halte. Der Herzog steht zu seiner Entscheidung und nennt Fritschens Urteil über Goethe für ihn, den Freund, beleidigend. Doch er will den erfahrenen Mann nicht verlieren, und deshalb bittet er ihn dringlich, im Amt zu bleiben. Fritsch läßt sich schließlich, auch durch Anna Amalia, umstimmen. Goethe war seinerseits klug genug, ein gutes Auskommen mit ihm zu suchen.
Im Sommer 1776 also ist Goethe in Weimar fest etabliert. Aus dem »Werther«-Autor ist doch noch etwas Tüchtiges geworden – in diesem Sinne teilt er den Kestners sein Avancement mit:
ich bleibe hier, und kann da wo ich, und wie ich bin meines Lebens genießen, und einem der edelsten Menschen, in mancherlei Zuständen förderlich und dienstlich sein. Der Herzog mit dem ich nun schon an die 9 Monate in der wahrsten und innigsten Seelenverbindung stehe, hat mich endlich auch an seine Geschäfte gebunden, aus unsrer Liebschaft ist eine Ehe entstanden, die Gott segne.
Anmerkungen
Zwölftes Kapitel
»Meine Schriftstellerei subordiniert sich dem Leben«.
Genie schützt nicht vor Lebensdilettantismus. Gegen das Literatentum.
Die Geschichte mit Lenz, dem Gescheiterten.
Das Herumziehen im Lande, das Nächtigen in Scheunen und Forsthäusern, dann wieder auf Schlössern und Burgen, das Kampieren und Schlittschuhlaufen, das Anbändeln mit den Mädchen vom Lande,
Miesels
genannt, die Feste bei Hofe, solchen Unternehmungen, und sie waren zahlreich, widmete sich Goethe mit einiger Lust. Sie gefielen ihm, auch weil sie dem jungen Herzog gefielen, der auch einmal ein wildes Studentenleben, oder was damals dafür galt, durchlebt haben wollte. Goethe nahm nicht nur Teil, er trieb sogar an und wirkte dann auch wieder mäßigend. Goethes Geschick, schreibt Wieland, habe »von jeher« darin bestanden, »die Convenienzen mit Füßen zu treten, und doch dabei immer klug um sich zu sehn, wie weit er’s grade überall wagen dürfe.«
Goethes Stimmung schwankt. Anfang 1776 hatte er an Merck geschrieben:
Ich treib’s hier freilich toll genug
, und nur eine gute Woche später schickt er der Frau von Stein das Gedicht »Wandrers Nachtlied« mit den Versen
Ach! ich bin des Treibens müde / Was soll all der Schmerz und Lust? / Süßer Friede! / Komm ach komm in meine Brust!
Aber diese Augenblicke der Müdigkeit gehen vorbei, dann packt ihn wieder die Unrast:
Den Hof hab ich nun probiert nun will ich auch das Regiment probieren, und so immer fort.
Er will nicht mehr nur Gast, Besucher, persönlicher Begleiter des Herzogs sein, sondern Anteil nehmen an den ernsthaften Regierungsgeschäften.
Die künstlerischen Tätigkeiten werden einstweilen in den Hintergrund gedrängt. Er aquarelliert, zeichnet, meist flüchtige Versuche, die er verschenkt, verschickt oder wegwirft. Nur weniges bewahrt er auf. Er schreibt Gedichte, darunter einige seiner schönsten; Eingebungen aus der Stimmung des Augenblicks, zumeist in Briefen an die Frau von Stein adressiert. Das ambitioniert Begonnene, größere literarische Vorhaben wie der »Faust« oder »Egmont« etwa, bleibt liegen. Bei seinem Besuch in Leipzig im
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