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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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bloßen Geschicklichkeit gelingt, kann ich mir nie zum Ziele machen, noch, wenn ich es auch wollte, erreichen. Es ist also hier nur von der höchsten Aufgabe selbst die Rede, und nur die erfüllte Kunst wird meine individuelle Tendenz ad intra überwinden können, wenn sie zu überwinden ist.« Er wird keinesfalls, erklärt Schiller, bei den hohen Ansprüchen an die Kunst Abstriche machen, und er macht Goethe zum Vorwurf, daß er ihm genau dieses anrate, dem Publikumserfolg zuliebe. Eine glatte Anstiftung zum Kunstverrat.
    Daß Schiller genau in dieser nervösen Phase im Frühjahr 1804 eine lukrative Anstellung in Berlin ausschlug, rechnete Goethe ihm hoch an. Die produktive und freundschaftliche Vertrautheit stellte sich nach der zwischenzeitlichen Entfremdung wieder vollkommen her. Ausdruck davon war auch die Tatsache, daß Goethe den »Tell«-Stoff an Schiller abtrat, der daraus sein populärstes Bühnenstück schuf, dessen Uraufführung zu Goethes Genugtuung nicht in Berlin, das sich dringlich darum beworben hatte, sondern in Weimar stattfand. Goethe widmete sich mit großem Einsatz der Inszenierung, und er zeigte fast kindliche Freude über den glänzenden Erfolg des Stückes. Es war der fast jungenhafte Stolz darüber, was man miteinander ausgeheckt hatte. Die Zusammenarbeit gestaltete sich wieder so eng wie in den ersten drei Jahren der Freundschaft.
    Schiller bekam das Manuskript der noch unveröffentlichten Erzählung »Rameaus Neffe« von Diderot in die Hand und bat Goethe um eine Übersetzung, der sich mit Vergnügen darauf warf. Er erörterte mit Goethe seine Dramenpläne, besonders vom »Demetrius« versprach sich Goethe einiges. Es würde wohl das beste Stück des Freundes werden, äußerte er gelegentlich, und er wollte es nach Schillers Tod vollenden, was ihm dann doch nicht gelang. Goethe arbeitete für Schiller, und er deckte den Freund auch mit Arbeit ein, sogar noch, als Schiller Anfang 1805 schwer erkrankte. Er gab ihm die Diderot-Übersetzung samt Anmerkungen zur Korrektur, sowie ein Konvolut aus der »Farbenlehre« zum Studium. Er wollte es nicht veröffentlichen ohne Schillers Beurteilung. Er mutete dem Freund einiges zu und behandelte ihn doch so, wie er bei Krankheit und Schwäche sich selbst zu behandeln pflegte: Er ermunterte ihn zur Tätigkeit. Man darf dem Tod keine Macht über das Leben geben, solange es noch währt. Und doch ahnte Goethe, er würde den Freund bald verlieren. Er gratuliert zum Neujahrsfest 1805 mit den Worten »zum letzten Neujahrstag«. Erschrocken zerreißt er den Zettel und beginnt noch einmal. Wieder schreibt er »zum letzten Neujahrstag«. Noch am selben Tag besucht er die Frau von Stein, erzählt ihr das Vorgefallene und sagt,
es ahne ihm, daß entweder Er oder Schiller in diesem Jahre scheiden werde.
    Am 8. Februar 1805 wird Goethe wieder, wie 1801, von der Gürtelrose heimgesucht; diesmal schlägt sie auf die Augen, ist aber nicht lebensgefährlich. Schiller, selbst von Krankheit gequält, ist besorgt. Er weint. Goethe kommt über die Krise hinweg und schreibt dem Freund:
Übrigens geht es mir gut, solang ich täglich reite.
Nun schafft sich auch Schiller ein Pferd an. Doch zum Reiten kommt er nicht mehr.
    Zum letzten Mal treffen sich die Freunde am 1. Mai auf dem Weg ins Theater. Man wechselt nur wenige Worte. Goethe kehrt wieder um, er fühlt sich schlecht. Auch Schiller ist dieser verfrühte Theaterbesuch nicht bekommen. Wieder ein Zusammenbruch. Goethe schickt ihm im letzten Brief vom 27. April 1805 eine schematische Übersicht zur »Farbenlehre« und Anmerkungen zu »Rameaus Neffe«. Schiller liest darin. Noch ein paar Tage muß er sich quälen und dann stirbt er, am Abend des 9. Mai.
    Kaum eine Stunde später ist die Todesnachricht im Haus am Frauenplan. Meyer empfängt sie zuerst und hat nicht den Mut, sie an Goethe weiterzugeben. Ohne Abschied geht er weg. Goethe ist beunruhigt, er merkt, daß man ihm etwas verheimlicht, aber vielleicht möchte er das auch. Christiane weiß Bescheid und stellt sich schlafend, um Goethe nicht zu beunruhigen. Anderntags, am Morgen, sagt sie es ihm. Er bedeckt die Augen mit den Händen und zieht sich zurück. Als man ihn fragt, ob er den Toten noch einmal sehen wolle, ruft er aus:
O Nein! die Zerstörung!
    Der Beerdigung Schillers am 11. Mai bleibt Goethe wegen Krankheit fern. Er kann den Tod nicht leiden.
Unangemeldet und ohne Aufsehen zu machen, kam er nach Weimar
, sagte Goethe später,
und ohne Aufsehen zu machen, ist

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