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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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wenig später wurde der auch in Rußland populäre Autor nach einer Intervention des Zaren freigelassen und nach Sankt Petersburg gebracht. Für das erlittene Unrecht erhielt er eine Ehrenpension und ein Landgut mit sechshundert Leibeigenen zum Geschenk. Kotzebue kehrte als reicher Mann nach Weimar zurück, und es wurde viel über ihn geredet. Kotzebue kaufte in Weimar ein Haus, und da er nicht zu Goethes Geselligkeiten geladen wurde, gründete er einen eigenen Kreis, der stark besucht wurde, da es bei ihm lockerer und unterhaltsamer zuging als bei Goethe, und wo auch die Tafel reichlicher gedeckt war. Goethe ärgerte sich über Kotzebues gesellschaftlichen Erfolg und reagierte sehr empfindlich auf dessen Sticheleien. Er ließ zwar Kotzebues »Kleinstädter« aufführen, strich jedoch die Passagen, in denen er eine Verunglimpfung der von ihm protegierten Schlegels vermutete. Daraufhin entzog Kotzebue dem Weimarer Theater seine Stücke. Als Goethe die beiden erfolglosen Stücke von August Wilhelm Schlegel »Ion« (im Januar 1802) und »Alarcos« von Friedrich Schlegel (im Mai 1802) auf die Bühne brachte, vermutete man, er habe damit nur die Kotzebue-Partei ärgern wollen. Bei der Aufführung des »Alarcos« kam es zum Skandal, denn die ambitionierte Tragödie ging im Lachen unter. Goethe wandte sich von seinem erhöhten Sessel im Parkett um und funkelte ins Publikum: »Man lache nicht!« Für Goethe handelte es sich um eine Verschwörung Kotzebues.
    Dann kam Kotzebues Versuch, zwischen Goethe und Schiller einen Keil zu treiben. Man begann schon damals mit dem Vergleich der beiden »Dioskuren« und den Erörterungen, wer denn nun der größere sei. Es bildeten sich Parteien für den einen oder den anderen, und ein Gezänk war die Folge. Kotzebue wollte es sich zu Nutze machen. Er plante eine prunkvolle Feier zu Schillers Namenstag am 5. März 1802. Im festlich geschmückten Rathaussaal sollten Szenen aus Schillers Dramen dargestellt und das Lied von der Glocke rezitiert werden. Er selbst wollte am Ende als Meister Glockengießer auftreten, eine Glockenform aus Pappe zerschlagen, darunter sollte die Büste Schillers zum Vorschein kommen, die von einem Jungfernreigen in weißen wallenden Gewändern umtanzt und anschließend mit Lorbeer bekränzt werden sollte. Die geplante Veranstaltung war in Weimar ein Stadtgespräch, noch ehe sie stattfand, und noch mehr, als sie dann doch nicht stattfand. Alles war sorgfältig eingeübt, da verweigerte am Vorabend des Festtags der Bibliotheksverwalter die Herausgabe der Schiller-Büste mit der Begründung, man habe noch nie eine Gipsbüste unbeschädigt von einem Fest zurückerhalten. Es kam noch schlimmer. Als die Handwerker im Festsaal die Bühne aufschlagen wollten, fanden sie das Rathaus verschlossen. Man vermutete Goethes Wirken im Hintergrund. Genaues weiß man nicht. Es könnte auch eine vorauseilende Beflissenheit des Bürgermeisters gewesen sein. Jedenfalls verließen einige der Damen, die beim Festakt hatten glänzen wollen, empört Goethes »Mittwochskränzchen«. Schiller war die ganze Angelegenheit sehr unangenehm, und am liebsten hätte er sich krank gemeldet. Goethe hatte sich rechtzeitig nach Jena abgesetzt, von wo aus er die Ereignisse verfolgte. Als alles vorbei war, schrieb ihm Schiller:
Der fünfte März ist mir glücklicher vorübergegangen als dem Cäsar der fünfzehente
〈...〉
Hoffentlich werden Sie bei Ihrer Zurückkunft die Gemüter besänftigt finden
.
    Ganz besänftigt waren sie nicht. Es blieben da und dort Kränkungen, Neid, Feindseligkeiten und Schadenfreude zurück und auch an den Freunden war die Angelegenheit nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Es gab etwas Gereiztes zwischen ihnen. Als Goethe sich im Sommer 1802 um den finanziellen Erhalt des Theaters sorgte und es ihm an publikumswirksamen Stücken fehlte, stachelte er Schiller mit der ziemlich groben Bemerkung an, er möge doch nicht so lange und umständlich konzipieren, sondern zügig und
konzentrierter
arbeiten,
damit Sie mehr Produktionen und, ich darf wohl sagen, theatralisch wirksamere lieferten.
    Diese Kritik empört Schiller. Ihm wird der Vorwurf mangelnder Theaterwirksamkeit gemacht in einem Augenblick, da die »Johanna von Orleans« auf den Bühnen Deutschlands Triumphe feiert! Am nächsten Tag schon antwortet er: »Soll mir jemals ein gutes Theaterstück gelingen, so kann es nur auf poetischem Wege sein, denn eine Wirkung ad extra, wie sie zuweilen auch einem gemeinen Talent und einer

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