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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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was ich liebe.
    In diesem langen Gespräch mit Falk äußerte Goethe Gedanken über die Unsterblichkeit, die man so von ihm noch nicht gehört hatte:
Von Untergang solcher hohen Seelenkräfte kann in der Natur niemals und unter keinen Umständen die Rede sein; so verschwenderisch behandelt sie ihre Kapitalien nie. Wielands Seele ist von Natur ein Schatz, ein wahres Kleinod.
    Diesen Gedanken von der Unzerstörbarkeit einer starken Seele wird Goethe später in einem Brief an Zelter wieder anklingen lassen.
Wirken wir fort bis wir, vor oder nacheinander, vom Weltgeist berufen in den Äther zurückkehren! Möge dann der ewig Lebendige uns neue Tätigkeiten, denen analog in welchen wir uns schon erprobt, nicht versagen!
    Bei tätigen Naturen, davon war Goethe überzeugt, ist die innere Zielgerichtetheit, die Entelechie mit dem Tode noch nicht verbraucht. Einer unverbrauchten Entelechie sollte, wenn es mit rechten Dingen zugeht, eine weitere Wirkungsstätte angewiesen werden. Freilich kann sich nicht jeder Hoffnung machen. Man muß schon etwas in sich haben, was eine Fortsetzung lohnt.
    Anmerkungen

Dreißigstes Kapitel
    Große politische Ereignisse werfen ihre Schatten. Untergang Napoleons
    und fragwürdige Befreiung. Das »heilige Feuer« hüten. Tribut an den
    Zeitgeist. Hafis und die Patriarchenluft. »Der West-östliche Divan«.
    Goethe und Marianne. Das lyrische Wechselspiel der Liebe.
    Während der Arbeit am zweiten und dritten Teil von »Dichtung und Wahrheit« überschlugen sich die politischen Ereignisse, denen gegenüber Goethe sich um eine stoische Haltung bemühte. Als Goethe vom Brand Moskaus hörte, schrieb er an Reinhard:
Daß Moskau verbrannt ist, tut mir gar nichts. Die Weltgeschichte will künftig auch was zu erzählen haben.
So gelassen war er in Wirklichkeit allerdings nicht. Im Briefkonzept nämlich heißt es:
Unsere Einbildungskraft weiß sie nicht zu fassen und unser Verstand nicht zurechtzulegen.
    Goethe war innerlich aufgewühlt, hatte er doch Partei genommen für Napoleon und konnte deshalb dessen katastrophale Niederlage nicht gleichgültig oder gar triumphierend hinnehmen. Als Napoleon auf der Flucht aus Rußland am 15. Dezember 1812 in Nacht und Nebel und unerkannt durch Weimar kam und in Erfurt dem französischen Gesandten Grüße an Goethe auftrug, da spöttelte der Herzog, er werde nun von Himmel und Hölle beliebäugelt, womit er auf Napoleon und auf die österreichische Kaiserin Maria Ludvica anspielte, eine entschiedene Gegnerin Napoleons, die ebenfalls Grüße an Goethe hatte übermitteln lassen, nachdem sie ihn zuletzt in Karlsbad so unterhaltsam gefunden hatte.
    1813 war nach der Katastrophe des Winterfeldzuges gegen Rußland das Jahr der Entscheidung. Napoleon brachte wieder eine neue Armee zusammen. Preußen wechselte die Seite und erklärte im Frühjahr Frankreich den Krieg. Der Herzog mußte einstweilen noch lavieren. Weimar erlebte wieder Einquartierungen von Franzosen, dann von Russen und Kosaken, und dann wieder von Franzosen. Von Westen und von Osten her zog das Unglück über Weimar her. Der »West-östliche Divan« wurde Goethe Zufluchtsstätte.
    Der Krieg, der im Jahre 1814 auf deutschem Boden ausgetragen wurde, hatte einen historisch neuen Charakter. Es waren von Berlin aus Aufrufe an die Bevölkerung in Preußen und den Rheinbundstaaten ergangen, Freikorps zu bilden. Die Nationalisierung der Gefühle, die mit der Französischen Revolution begonnen hatte, griff auch auf die Länder über, die sich gegen Napoleon erhoben. Die patriotische Mobilisierung und gesinnungsmäßige Aufrüstung machen aus den einstigen Kabinettskriegen Volkskriege. Das Nationalbewußtsein, geistig im ›Sturm und Drang‹ vorbereitet, kommt nun auch politisch zum Durchbruch. Nation, Vaterland, Freiheit sind jetzt Werte, für die Menschen zu sterben bereit sind. In der öffentlichen Bekanntmachung der preußischen Niederlage von 1806 wurde Ruhe als die erste Bürgerpflicht ausgerufen. 1813 hingegen appelliert man ausdrücklich an das neue Nationalgefühl als Preußen und Deutsche. Das ist die Stimme einer neuen Politik, die aktive Anteilnahme fordert und mit der Aussicht auf eine künftige Verfassung lockt. Nicht nur nationale Gefühle werden mobilisiert, man kommt – rhetorisch jedenfalls – auch den demokratischen Ansprüchen entgegen, welche durch die preußischen Reformen mehr geweckt als befriedigt worden waren. In diesen Monaten des antinapoleonischen Befreiungskrieges entsteht zum ersten

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