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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Verleger eine Taschenbuchausgabe von »Herrmann und Dorothea« vorzuschlagen. Er ahnte, daß derzeit Herrmanns Worte am Ende sehr passend sein würden:
Und drohen diesmal die Feinde, / Oder künftig, so rüste mich selbst und reiche die Waffen. /
〈...〉
/ O, so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen. / Und gedächte jeder wie ich, so stände die Macht auf / Gegen die Macht, und wir erfreuten uns Alle des Friedens.
    Die Erwartung trog nicht. Das Versepos »Herrmann und Dorothea«, bereits bei der ersten Veröffentlichung ein großer Publikumserfolg, fand auch diesmal wieder guten Absatz und ein zustimmendes Echo beim Publikum. Goethe war darüber so erfreut, daß er gesprächsweise andeutete, er werde sich womöglich eine Fortsetzung einfallen lassen. Dazu kam es dann doch nicht. Im Frühjahr 1814 erging von Iffland aus Berlin die Anfrage, ob Goethe bereit wäre, für die Siegesfeier über Napoleon ein Festspiel zu verfassen. Noch in diesem Sommer sollten sich in Berlin der Zar, der österreichische Kaiser und der preußische König treffen. Es war also Eile geboten.
    Zunächst lehnte Goethe ab, wobei er nicht versäumte, darauf hinzuweisen, er verstehe sich durchaus auf
Gelegenheitsgedichte
, so habe er etwa für die Badedirektion in Halle etwas Passendes verfertigt, was nun wiederum eine unpassende Bemerkung ist, denn in Berlin wünscht man Erhabenes und keine Badespäße. Ein paar Tage später konnte sich Goethe dann doch für den Auftrag erwärmen. Er sei doch gar zu
schmeichelhaft
, um ihn abzulehnen. Er habe auch schon eine Idee, die er aber nicht verraten wolle. Iffland ist überglücklich, Goethe gewonnen zu haben: »Es gibt keine höhere Feier als die, daß der erste Mann der Nation über diese hohe Begebenheit schreibt.« Für Iffland eine Traumverbindung: Der größte Dichter der Deutschen schreibt zum größten Festtag der Deutschen.
    Iffland wird sich gewiß ein enger mit den Zeitereignissen verknüpftes Stück gewünscht haben als jenes, das Goethe nach wenigen Wochen lieferte: »Des Epimenides Erwachen«. Dieses Festspiel ist befremdlich, denn statt den Anlaß zu feiern, drängt sich der Autor mit seiner Problematik vor. Privates statt Offizielles. Um das Persönliche als etwas Objektives erscheinen zu lassen, wird es in ein antikes Gewand gekleidet und allegorisch verschlüsselt. Als das Stück mit einem Jahr Verspätung in Berlin aufgeführt wurde, verballhornte der Berliner Volksmund den Titel »Epimenides« in »Ja-wie-meent-er-das«. Goethe bedient sich einer antiken Fabel über einen Götterliebling, der zwar eine ganze Lebensepoche verschläft, dafür aber nicht etwa bestraft, sondern mit der Erhöhung seiner Seherkraft belohnt wird. Im vorletzten Auftritt zeigt sich Epimenides zerknirscht und voller Selbstvorwürfe:
Doch schäm’ ich mich der Ruhestunden, / Mit euch zu leiden war Gewinn: / Denn für den Schmerz den ihr empfunden, / Seid ihr auch größer als ich bin.
Darauf antwortet der Priester:
Tadle nicht der Götter Willen / Wenn du manches Jahr gewannst: / Sie bewahren dich im Stillen, / Daß du rein empfinden kannst.
    Die Aufführung des Stückes verzögerte sich. Zuerst kam das Kaisertreffen nicht zustande, dann starb Iffland. Man führte dann das Stück März 1815 zum Jahrestag des Einmarsches der Alliierten in Paris auf. Ein Publikumserfolg war dem unzugänglichen, mit Sentenzen überhäufte und handlungsarmen Stück nicht beschieden, doch Goethe fühlte sich trotzdem erleichtert, denn er hatte seine Pflicht und Schuldigkeit getan und konnte sich nun Dingen und Themen zuwenden, die ihn wirklich angingen.
    Im Frühjahr 1814 marschierten die Verbündeten in Paris ein und verbannten Napoleon auf die Insel Elba. Goethe, der Napoleon als Ordnungsmacht bewundert hatte (als Verkörperung des kriegerischen Geistes fand er ihn eher unheimlich), knüpfte an die veränderten Machtverhältnisse Hoffnungen auf eine neue Friedensordnung. Darauf kam es ihm ja vor allem an. Im Frühjahr 1814 spürte er eine erste Erleichterung. Er merkte im Rückblick, wie sehr ihn die äußeren Ereignisse, die Kriege und Einquartierungen, sowie die desperaten oder martialischen Stimmungen belastet und abgelenkt hatten. Auch das Verhältnis zum Herzog war nun wieder unbeschwerter, da der Napoleon betreffende Gegensatz zwischen den beiden verschwunden war. Nun kann er schreiben:
Wir leben hier am Ort in genugsamer Ruhe und leidlichem Behagen
. Er spüre einen
Frühlingsäther
, schreibt er an Zelter,

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