Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
»die Speciosa Accacien sind wie beschneit, die Hispida übermäßig schön und die Glabra im aufbrechen. In Belveder ist auch vieles zu bewundern!« Auf dieses muntere Schreiben antwortet Goethe umständlich, zeremoniell, doch auch mit augenzwinkernder Verschmitztheit:
Ew. Königlichen Hoheit höchst blütenreiche Anmahnung, darauf eine wundersame Blume, durch Ihro Frau Gemahlin Gnade bei mir eintreffend, haben auf meine stockenden Zustände eine so glückliche Einwirkung geäußert daß ich mir vorsetze noch heute einen Versuch zu machen inwiefern ich mich wieder zu den Wandernden und Spazierenden gesellen dürfte. Diese Probe soll in einiger Entfernung von den frequentierten Räumen angestellt werden.
Die Krise von 1817, zur Zeit von Goethes Abgang vom Theater, war längst ausgestanden, die altbewährte Freundschaft verlief in der Regel wieder in ruhigeren Bahnen. Kleinere Irritationen hatte es immer gegeben. Ob der Großherzog als Brautwerber bei Ulrike im Sommer 1823 sich bloß einen sardonischen Spaß mit seinem Freund gemacht hatte, werden wir nie wissen. Der eher preußisch gesinnte Großherzog war nicht gut auf Fürst Metternich zu sprechen und ärgerte sich, wenn Goethe so ein Gewese um ihn machte. Allerdings war es eben gerade Metternich, der maßgeblichen Anteil daran hatte, daß Goethe das Urheberrecht für seine Ausgabe letzter Hand durchgesetzt bekam, und als Goethe dem Herzog von dem diesbezüglichen
wunderbarsten Dokument
aus der Hand Metternichs vorschwärmte, ging Karl August mit keinem Wort darauf ein und ließ sich statt dessen über den Barometerstand und den Neuschnee im Thüringer Wald aus.
Das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Großherzogs am 3. September 1825 sah Goethe in voller Tätigkeit. Er richtete in seinem Haus ein eigenes Fest aus, neben den offiziellen Feierlichkeiten, als wolle er damit bekunden, daß der Großherzog zwar zur großen Welt gehört, doch auch zu ihm persönlich. Karl August verstand das sehr wohl: »Schönsten Dank«, schrieb er ihm, »für das, was am 3. September Nachts bei dir, mein lieber alter Freund, mir zu Ehren, geschehen ist.«
Zwei Monate später wurde Goethes 50jähriges Dienstjubiläum gefeiert, wobei man nicht das Datum des Dienstantritts, sondern des Eintreffens in Weimar zugrunde legte. Der Herzog dankte, innig und zugleich hochpathetisch: »Das Dienstjubelfest Meines ersten Staatsdieners, des Jugendfreundes 〈...〉 den für immer gewonnen zu haben, Ich als eine der höchsten Zierden Meiner Regierung achte.«
Seit diesen Jubelfesten waren also fast drei Jahre vergangen, als Karl August überraschend auf der Rückreise von Berlin starb. Goethe reagiert, wie man es inzwischen von ihm kennt. Als der Kanzler Müller ihm die Nachricht bringt, ruft er aus
Das hätte ich nicht erleben sollen
und versinkt dann in Schweigen und läßt jeden merken, daß in seiner Gegenwart nicht darüber gesprochen werden darf. Selbst im Tagebuch unter dem 15. Juni nur die wortkarge Notiz, die Nachricht habe das Fest gestört. An den folgenden Tagen keine weitere Bemerkung dazu, erst wieder am 19. Juni:
Billett an Herrn Kanzler, ablehnend jede Teilnahme an einem Nekrolog
. Zum Tode von Anna Amalia hatte Goethe einen ausführlichen Nekrolog verfaßt. Jetzt nichts. Das bleibt rätselhaft, auch wenn schon damals vermutet wurde, daß diese Zurückhaltung mit dem noch ungeklärten Verhältnis zum Nachfolger, dem Erbgroßherzog Karl Friedrich, zusammenhängen mochte. Jedenfalls zog Goethe es vor, sich nicht zu exponieren, und ehe die offiziellen Trauerfeierlichkeiten begannen, entwich er auf die Schlösser von Dornburg mit der bezaubernden Aussicht auf das Saaletal. Diesmal aber hatte er sich offenbar von höchster Stelle die Erlaubnis geben lassen, denn im Tagebuch notierte er unter dem 3. Juli:
Vergünstigung eines Aufenthaltes in Dornburg
. Hier hatte er einst an seiner »Iphigenie« geschrieben, hier hatte er auch einige Zeit mit dem Herzog verbracht. Ein Erinnerungsort. Kanzler Müller gibt eine schöne Beschreibung, wie Goethe dort oben sein Wesen trieb. »
Laßt mich,
konnte er mitten im Gespräch aufstehend sagen,
einsam zu meinen
Steinen
dort unten eilen; denn nach solchem Gespräch geziemt dem alten Merlin sich mit den UrElementen wieder zu befreunden.
« Müller fährt fort: »Wir sahen ihm lange und frohbewegt nach, als er, in seinen lichtgrauen Mantel gehüllt, feierlich ins Tal hinabstieg, bald bei diesem, bald bei jenem Gestein oder auch bei einzelnen
Weitere Kostenlose Bücher