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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Zelters in Weimar fand 1802 statt, es folgten elf weitere Besuche, von Goethe stets dringlich erbeten. Er selbst allerdings ließ sich nicht nach Berlin locken. Zelter war sein Horchposten dort und mußte ihm genau berichten, was am Theater, bei Hofe und sonst im geselligen Leben der Stadt vorfiel. Goethe hatte ein offenes Ohr für Gerüchte, war aber auch empfänglich für köstliche Gerichte. Auch hiermit konnte Zelter dienen, mit Teltower Rübchen, eingelegten Fischen, und bisweilen auch mit Kaviar, er war ja ein wohlhabender Mann. Goethe revanchierte sich mit Wildhühnern, Weinen und seinen neuesten Werken, die Zelter gründlich kommentierte, hin und wieder auch kritisch. Es war eine Lebensgemeinschaft, die das Gewöhnliche und das Ungewöhnliche umspannte. Zelter hat Goethe nur um zwei Monate überlebt. Nach dem Tod des Freundes erlosch seine Lebenskraft. Doch sein sarkastischer Humor blieb ihm bis zuletzt. Einem Bekannten schrieb er nach Goethes Tod: »Bisher war ich von ihm 36 Meilen entfernt, nun komme ich ihm mit jedem Tag näher, und er wird mir nicht entwischen.«
    Goethe hatte sich durch die lauen Reaktionen auf den Briefwechsel mit Schiller nicht von dem Vorhaben abbringen lassen, auch seinen Briefwechsel mit Zelter zu veröffentlichen. Seit Mitte der zwanziger Jahre schrieben die Freunde also Briefe, von denen sie wußten, daß die Nachwelt sie lesen würde. Es blieb bei dem vertrauten und persönlichen Ton, und doch ist insbesondere Goethes Briefen anzumerken, daß er gelegentlich auch spätere Leser anspricht. Das gilt beispielsweise für seine vernichtende Kritik an den Schlegels.
Die Gebrüder Schlegel waren und sind,
schreibt er da,
bei so viel schönen Gaben, unglückliche Menschen ihr Lebenlang; sie wollten mehr vorstellen als ihnen von Natur gegönnt war und mehr wirken als sie vermochten; daher haben sie in Kunst und Literatur viel Unheil angerichtet.
Er schrieb diese Sätze in Verärgerung über A.W. Schlegels Kritik des Schiller-Briefwechsels. Zelter nahm es dem Freund nicht übel, wenn der bisweilen sehr deutlich zum Fenster hinaus redete. Er jedenfalls blieb beim Kammerton und fuhr fort, ganz unbefangen aus seinem Alltag und von seiner Arbeit zu erzählen.
    Zelter blieb Goethe bis zuletzt. Von den alten Freunden waren nur noch Wilhelm von Humboldt und Knebel am Leben. Die anderen waren nun alle schon tot. Charlotte von Stein war am 6. Januar 1827 im Alter von vierundachtzig Jahren gestorben, körperlich gebrechlich, sie hörte und sah kaum noch, doch geistig war sie wach bis zuletzt. »Ich bin leider wie fremd auf der Welt«, schrieb sie ihrem Lieblingssohn Fritz, der seine Kindheit in Goethes Haus erlebt hatte. An schönen Tagen saß sie auf der Bank vor ihrem Haus unter den Orangenbäumen. Goethe, der sie sonst nur noch selten besuchte, setzte sich einmal dazu, um ein wenig mit ihr zu plaudern. Hinterher schrieb sie ihm: »Wie befinden Sie sich, lieber Geheimderat, nach dem gestrigen harten Sitz auf meiner Bank? Ich habe mir Vorwürfe gemacht daß ich Ihnen keinen Stuhl kommen ließ 〈...〉 Bemühen Sie sich nicht mir zu antworten, nur mündlich ein Wort Ihres Wohlseins wird mich schon erfreuen.«
    Am Ende war Charlotte nur noch darauf bedacht, keinem zur Last zu fallen. Sie verfügte, daß der Trauerzug bei ihrer Beerdigung nicht am Haus am Frauenplan vorbeigeführt werden sollte. Das könnte den »Geheimderat« stören. Er, der niemals zu Beerdigungen ging, blieb auch diesmal fern. Im Tagebuch keine Notiz, auch keine Erwähnung in den Briefen.
    Im Jahr darauf starb Karl August, am 14. Juni 1828. Er war gerade zu Besuch bei seinen preußischen Verwandten in Berlin und unternahm als General der Kavallerie eine ehrenvolle Visitation. Das fiel ihm schon recht schwer, auch die sonstigen Festivitäten waren anstrengend. Zelter schrieb aus Berlin: »Der Großherzog mußte 〈...〉 sich die große Oper vorpauken lassen und Ihr mögt zufrieden sein wenn Ihr ihn mit heiler Haut wieder habt.« Karl August fühlte sich schon geraume Zeit krank und hatte deshalb auch in den zurückliegenden Jahren die Kuraufenthalte in den böhmischen Bädern ausgedehnt. Doch er fühlte sich jung genug, um seinen älteren Freund manchmal burschikos »Alter« zu nennen. Er ermunterte den inzwischen recht zurückgezogen lebenden Goethe, endlich wieder auf Reisen zu gehen und sich zu bewegen. Einmal schilderte er ihm, um ihn ins Freie zu locken, die Blütenpracht im Park und nannte akribisch die Blumen bei Namen,

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