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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Literatur so, denn von anderem verstand sie kaum etwas, und das wurde ihr auch zum Verhängnis. Etwas altklug, aber doch mit einiger Berechtigung hatte ihr der achtzehnjährige Goethe noch von Leipzig aus dringend empfohlen, sich Fertigkeiten in der Hauswirtschaft anzueignen für ihre spätere Rolle als Mutter und Hausfrau. Sie aber wollte als kluge Frau mit literarischem Urteil und künstlerischem Geschick anerkannt sein. Anderes interessierte sie nicht. Als sie dann später mit Schlosser in Emmendingen ein großes Haus zu führen und für zwei Kinder zu sorgen hatte, brach sie unter diesen Aufgaben zusammen.
    Schlosser, mit Goethe seit früher Jugend gut bekannt, hatte gründlich und gewissenhaft, wie es seine Art war, nach einer Frau Ausschau gehalten, zunächst ohne Erfolg. Fast wäre er zum Hagestolz geworden, wenn ihm nicht die schon lange bekannte Cornelia plötzlich als künftige Ehefrau erschienen wäre. Er warb um sie, und Cornelia ließ es sich wohl auch deshalb gefallen, weil er ein Freund des Bruders war.
    Schlosser hatte die Heirat, die am 1. November 1773 stattfand, hinausgezögert, bis seine Anstellung beim Großherzog von Baden in Karlsruhe erfolgt war. Schlosser erhielt eine Regierungspräsidentenstelle im südbadischen Emmendingen, wo er als Amtsvertreter des Herzogs über einen ganzen Landkreis von zwanzigtausend Einwohnern zu herrschen hatte – die am höchsten dotierte Beamtenstelle, die das Land zu vergeben hatte.
    Für Goethe, der in »Dichtung und Wahrheit« seine Eifersucht einbekennt, war der Wegzug Cornelias Ende 1773 ein schmerzlicher Abschied und Verlust, für die Schwester aber war es fast schon ein Selbstverlust. Das ahnte Goethe. In der nach Cornelias Tod entstandenen zweiten Fassung des »Werther« spiegelt er das Drama der Schwester in den Gefühlen Lottes zu Werther:
Alles, was sie interessantes fühlte und dachte, war sie gewohnt mit ihm zu teilen und seine Entfernung drohete in ihr ganzes Wesen eine Lücke zu reißen, die nicht wieder ausgefüllt werden konnte. O, hätte sie ihn in dem Augenblick zum Bruder umwandeln können!«
    Cornelia kam über die Trennung vom Bruder nicht hinweg. Schlosser war nicht der Mensch, der ihr den Verlust des Bruders ersetzen konnte. Er selbst klagte einmal in einem Brief an Forster über seine »Verschämtheit und körperliche Ungelenkheit«, seine »Stachelschweinshaut«, die jede Frau eigentlich abschrecken müßte. Dabei hatte er Versuche unternommen, sich der Braut gegenüber anziehender, übermütiger zu geben. Vielleicht hatte er sich auch wirklich gelockert, als er etwa mit Wachslichtern auf dem Hut zur Erntezeit wie ein Gespenst in den Weinbergen herumstrich. So habe man, erzählt Goethes Mutter in einem Brief an Anna Amalia vom Oktober 1778, den »Docter und Hoffrath Schlosser« noch nie erlebt. Aber das war wohl doch nur eine seltene Episode aus der Brautzeit.
    Die Heirat fand in Frankfurt statt, und Cornelia wünschte sich, der Bruder möge die Brautleute bis Karlsruhe begleiten. So schwer fiel ihr die Trennung. Goethe aber lehnte ab und vergrub sich zu Hause in seinen Abschiedsschmerz.
    In Emmendingen bezogen die Schlossers ein geräumiges, repräsentatives Amtshaus. Es gab hier viel zu tun, Cornelia aber, die inzwischen schwanger war, zog sich zurück und nahm keinen Anteil an Umbau und Einrichtung des Hauses. Schlosser beklagte sich über sie in einem Brief an Lavater: Sie sei falsch erzogen worden. »Jeder Wind, jeder Wassertropfen sperrt sie in die Stube und vor Keller und Küche fürchtet sie sich noch zuviel.« Apathisch und depressiv verbrachte sie ihre Tage, während Schlosser sich zupackend und besonnen seinen Aufgaben widmete. Er sorgte für die Verbesserung des Landbaus, der Volksbildung, der Verkehrsverhältnisse. Kümmerte sich um Handwerk und Gewerbe, gründete Volksbibliotheken und Leihbüchereien. Doch all dies ging an Cornelia vorbei, sie erstarrte in Untätigkeit in verdunkelten Zimmern und kam kaum mehr aus dem Bett. Der tüchtige Schlosser, der sonst immer zu helfen wußte, konnte ihr nicht helfen.
    Im Sommer 1774 dann die schwere Geburt, von der Cornelia sich wochenlang nicht erholte. Schlosser indes fand sich immer besser zurecht, inzwischen amtete er wie ein regierender Landesherr. Er hatte sich Unterstützung von seiner Frau gewünscht. Doch daran war nicht zu denken. Cornelia zog sich immer weiter zurück. »Ihr ekelt vor meiner Liebe«, klagt Schlosser seinem Bruder Hieronymus. Goethe wird davon gewußt haben,

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