Goethe war’s nicht
seiner selbst – das war er.
Ohne irgendwas auszusparen, hatte der Oberkommissar seinen Freunden den missglückten Ablauf der Geldübergabe geschildert.
Einträchtig, wie bei Paaren, die schon länger zusammen sind, häufig zu beobachten ist, schüttelten Maria und Herr Schweitzer resigniert ihre Köpfe. Die Klaviatur ihrer Gefühle hatte nur noch triste Molltöne vorzuweisen.
Herr Schweitzer: „Ich verstehe das alles nicht. Die haben doch jetzt ihr Geld.“
Maria: „Und was haben die mit Herrn Fornet gemacht? Am liebsten würde ich noch mal zu diesem Parkplatz fahren. Vielleicht finden wir dort irgendeinen Hinweis.“
„Das habe ich auch vor. Gleich, wenn’s hell wird“, röchelte Schmidt-Schmitt mit einer Stimme, aus der herannahende Erkältungssymptome deutlich hervorstachen. „Simon, du kannst ja derweil schon mal deinen Twingo holen. Fornets Mercedes sehen wir wohl so schnell nicht wieder. Wer weiß, ob wir dein Auto noch brauchen können.“
„Wird erledigt, Chef.“
„Und woher wissen die von dir, Mischa?“, gab Maria zu bedenken. „So langsam habe ich das Gefühl, wir werden hier observiert.“
„Alles deutet wohl darauf hin“, hauchte der Oberkommissar.
Es war aber sein letzter Kommentar, dann kippte sein Kopf vornüber. Am Asbach hatte er nur genippt. Uralt sah er trotzdem aus.
Herr Schweitzer erhob sich, zog seinem Freund die Schuhe aus und legte ihm die Füße aufs Sofa. „So, Maria, ich gehe mal den Twingo holen. Soll ich von drüben noch irgendwas mitbringen?“
„Ja. Eine Idee.“
Gegen zehn kam wieder Leben in die Bude. Als Maria in die Küche trat, saß dort bereits Fabiana und starrte geistesabwesend aus dem Fenster. „Warum ist Gil nicht da? Ist er tot schon?“, fiepte sie mit einer Stimme, die alles Elend dieser Welt beinhaltete.
Maria tippte, sie habe sich wohl ein paar Tabletten genehmigt und die Nacht durchgeschlafen. Anders war es nicht zu erklären. Eine Frau, die um das Leben ihres Kindes bangte, schlief nicht lange. Doch wie sollte sie die Frage beantworten? Sie hatten sich heute früh diesbezüglich nicht abgesprochen und konnte auch nicht einordnen, wie viel die Mutter überhaupt mitbekommen hatte. Also diplomatisch, ohne auf die gestrige Nacht einzugehen: „Nein, aber bald. Ganz sicher.“
„Ja, ganz sicher“, wiederholte Fabiana gefühlsneutral. „Magst du Kaffee?“
„Klar. Koch am besten eine ganze Kanne. Ich geh gleich die Männer wecken.“
Beim Oberkommissar war dies nicht vonnöten, denn er kam gerade um die Ecke geschlichen. Der Schlaf hatte ihm gutgetan. Er sah zwar immer noch reichlich lädiert aus, aber im Vergleich zu den Stunden zuvor schon viel besser. „Am besten gleich zwei Kannen. Ich hab das Gefühl, nie mehr wach zu werden. Meine Lebensgeister sind im Urlaub in der Südsee. Guten Morgen, Maria. Guten Morgen, Fabiana.“
Maria war erleichtert. Offenbar hatte sich Mischa doch keine Erkältung zugezogen. Oder sein Körper wartete noch. „Hallo, Mischa.“
Schmidt-Schmitt: „Ich geh mal runter, mich frisch machen.“
„Soll ich Simon wecken?“
„Lass ihn noch ein Stündchen schlafen. Wer weiß, wozu’s gut ist.“
Aus dem Stündchen wurde nichts. Viertel nach klingelte es bereits an der Haustür. Da Fabiana keine Anstalten machte, sich vom Küchentisch zu erheben, ging Maria nachschauen.
Vor ihr stand eine winterlich gekleidete Frau um die sechzig mit schlohweißer Dauerwelle.
Im ersten Moment dachte Maria, die Einkaufstasche, die die Frau mit sich führte, sei diejenige, in der das Lösegeld steckte. Aber sie hatte eine andere Farbe und war nicht ganz so groß. „Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“
Die Frau war sichtlich irritiert. Nervös fummelte sie an ihrem roten Wollschal herum. „Äh, Entschuldigung, ist Frau Fornet nicht da?“
„Doch, das schon. Aber ich glaube nicht, dass ...“
„Ich bin Frau Saric, die Putzfrau. Heute ist doch Montag.“
Hätte Mischa sich bei Herrn Fornet nicht nach den Namen von Gärtner und Putzfrau erkundigt, hätte Maria sie wieder weggeschickt und auf einen anderen Tag vertröstet. So aber: „Ach, kommen Sie doch bitte rein.“ Sie gab ihr den Weg frei.
Unmittelbar darauf, während sich die Frau ihre Schuhe auszog, kam auch Herr Schweitzer zur Tür. „Was ist? Es hat geklingelt?“
„Die Putzfrau. Du hättest deswegen nicht aufstehen müssen, Schatz.“
Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Ach. Egal. Ich bin sowieso nicht mehr müde.“
Unter normalen
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