Goethe war’s nicht
Ende.“
Der Banker drehte den Kopf zu Schmidt-Schmitt. „Warum das denn? Ich hätte doch gleich dort halten können, anstatt die ganze Strecke zurückzulaufen.“
„Weiß auch nicht. Folgen Sie einfach der Piste. Bald haben wir’s geschafft.“
Wenn er sich da mal nicht täuschte.
Der Oberkommissar wünschte dem Banker viel Glück, nachdem dieser sich die Tasche geschnappt und auf den Weg durch die Dunkelheit gemacht hatte. Wie besprochen, folgte ihm Schmidt-Schmitt in einem gebotenen Sicherheitsabstand. Die Nacht war so pechschwarz, dass man seine Hand vor den Augen nicht sehen konnte. Hin und wieder fiel schummriges Licht auf den kleinen asphaltierten Weg, verursacht von stadtauswärts fahrenden Autos. Doch nur wenige waren um diese Uhrzeit unterwegs. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Trotz fellgefütterter Lederjacke vergrub Schmidt-Schmitt seinen Kopf in den Kragen.
Als Fornet die Brücke überschritt, erfassten ihn auch Scheinwerfer aus der Gegenrichtung.
Schmidt-Schmitt hielt sich hinter einer dickstämmigen Ulme versteckt. Verfluchter Mist, dachte er, denn weiter konnte er nicht, ohne die Aktion zu gefährden. Auf der Brücke wäre er von den Gegenspielern zu leicht auszumachen gewesen. Was tun, nun? Guter Rat stand hoch im Kurs. Die Idee, sich außen am Geländer über den Autobahnzubringer zu hangeln, verwarf er so schnell, wie sie gekommen war. Würde er von einem Verkehrsteilnehmer so gesichtet werden, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis seine Kollegen hier auftauchten, um sich diesen Idioten, also sich, zu schnappen. Er wartete. Es komme, was kommen mag, es kommt eh, dachte er.
Drei Minuten vergingen.
Fünf Minuten.
Eine Viertelstunde.
So langsam wurde die Sache ungemütlich. Die Kälte hatte seine Knochen erreicht. Kein Laut außer dem Rascheln der entlaubten Äste, wenn eine Böe darüber strich, und den sporadischen Motorgeräuschen. Er steckte in der Klemme.
Nach weiteren ereignislosen fünf Minuten wagte sich Schmidt-Schmitt aus seiner Deckung hervor.
Nun vernahm er ein „Hallo“. Es war Herr Schweitzer, dessen Stimme aus der Tasche seiner Lederjacke an sein Ohr drang.
„Hallo, Simon. Hier stimmt was nicht. Ich muss jetzt leise sein und das Handy ausschalten. Melde mich sofort, wenn sich was getan hat.“ Umgehend unterbrach er die Verbindung und schlich vorwärts. Erst aufrecht, dann geduckt. Zum Schluss auf den Knien. Vorsichtig spähte er über den Scheitelpunkt der Überführung. Weiter traute er sich nicht. Sollte ihm nun ein Auto entgegenkommen, wäre er gezwungen, wie Tarzan über das Brückengeländer zu springen. Fragt sich nur, ob Sachsenhausen verlassende Autofahrer oder solche, die die andere Richtung eingeschlagen hatten, mental auf einen von einer Brücke hechtenden Tarzan eingestellt waren, um rechtzeitig das Bremspedal zu betätigen. Allein, der Oberkommissar glaubte nicht daran. Innerlich fluchte er wie ein Bierkutscher, dem gerade die Fässer vom Fuhrwerk kullerten. Das brachte ihn aber auch nicht entscheidend weiter. Ihm fiel der Spruch
Kein Übel währt ewig
ein. Aber was bedeutet ewig, wenn vielleicht Menschenleben in Gefahr waren? Die Zwickmühle, in der er sich befand, hätte kaum größer sein können. Für was er sich auch entscheiden würde, es könnte das Falsche sein. Möglicherweise sogar der letzte Fehler seines Lebens. Doch eine Untätigkeit wie momentan – auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Der Oberkommissar fällte eine Entscheidung. Fünf Minuten noch, dann gehe ich rüber. Scheiß auf die Konsequenzen!
Maria und Herr Schweitzer sahen einander an, als das Handy verstummte.
„Was da wohl nicht stimmt?“, fragte er sie. Ihn fröstelte. Und daran waren weder Temperatur noch fehlender Schlaf schuld. Nur gut, dass Fabiana immer noch oben war, eine vor Sorgen ausflippende Mutter hätte ihnen gerade noch gefehlt.
„So eine Geldübergabe kann sich doch nicht die ganze Nacht hinziehen“, teilte Maria seine Sorgen.
Herr Schweitzer versank in Erinnerungen. Alle Fälle, in die er als Sachsenhäuser Detektiv verwickelt war, ließ er Revue passieren. Doch keiner war von einem ähnlich mysteriösen Nebel umgeben wie dieser hier. Wenn doch wenigstens Gilberto endlich frei wäre ...
Die fünf Minuten waren um. In geduckter Haltung schlich Schmidt-Schmitt vorwärts, seine entsicherte Dienstwaffe in der rechten Hand. Immer schön am Geländer lang. Als es zu Ende war, schlug er sich links in die Büsche. Noch schätzte er die Stille als
Weitere Kostenlose Bücher