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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Schulterpartien erreichte. Mehrere Shampoos standen zur Auswahl, von Orangenblüten über Rosenduft bis Südsee-Coconut-Dream. Herr Schweitzer fühlte sich wie im Paradies. Erst hier und jetzt offenbarte sich ihm so richtig, wie ausgelaugt er gewesen war. Nach und nach kehrten seine Lebensgeister zurück, es ging wieder bergauf mit ihm.
    Sogar an seinen Nassrasierer hatte seine Freundin gedacht. Mit dem Rosenduft-Shampoo erzeugte er Rasierschaum. Und während dieser kontemplativen Tätigkeit dachte er an die vorangegangenen Ereignisse. Herr Schweitzer gestand sich ein, mit dieser Entführungsgeschichte absolutes Neuland betreten zu haben. Er war hier bloß eine Nebenfigur, der es obendrein an vielen Informationen mangelte. Dieter Wagner hielt alle Fäden in der Hand. Gerade jetzt, da er unter der Dusche stand, wer weiß, was in der Küche oder im mobilen Einsatzwagen wieder für Neuigkeiten generiert wurden. Zwischendurch hatte er ja auch schlafen müssen und Dieter Wagner konnte, selbst wenn er Willens gewesen wäre, ja nicht ständig jeden, der hier rumwuselte, auf den neuesten Stand bringen. Inwieweit waren die Kretschmers inzwischen aus dem Schneider, was hatte die Überprüfung des Stranz’schen Fuhrparks ergeben und besitzt Linus nun ein neues Handy oder nicht? Fragen über Fragen, die sicherlich schon teilweise beantwortet waren, auch wenn sich die Antworten seiner Kenntnis entzogen. Wie soll man denn erfolgsorientiert sein Hirn gebrauchen, wenn man nur die Hälfte mitkriegt? Hier muss man sich echt um alles selber kümmern, dachte er betrübt. Ich werde einfach mal den Mischa fragen, nahm er sich vor, vielleicht weiß der ja mehr.
    Doch dazu kam es vorläufig nicht, denn gerade als ein rundum erneuerter Herr Schweitzer gut gelaunt und duftend – mehrere edle Rasierwässerchen hatten zur Auswahl gestanden – die letzte Treppenstufe erreicht hatte, klingelte es. Der Postbote verlangte Fabiana Fornet persönlich, ein Einschreiben habe er.
    Sylvia Kravat, die an die Tür gegangen war, rief laut nach der Dame des Hauses: „Fabiana, für dich! Die Post.“
    Nachdem sie den Empfang bescheinigt hatte, ging Fabiana über den ungewöhnlichen Absender staunend – ein Juweliergeschäft in der Elisabethenstraße – kopfschüttelnd in die Küche.
    Als sie mit einem Küchenmesser den Umschlag geöffnet, den Inhalt herausgezogen und einen Blick darauf geworfen hatte, hielt sie erschrocken inne und legte das Blatt auf den Tisch.
    Die Erpresser. Wie schon beim ersten Schreiben, das sie noch selbst in den Briefkasten geworfen hatten, bestand die Botschaft aus ausgeschnittenen Buchstaben. Abermals handelte es sich um eine Kopie.
    Der Text behagte Herrn Schweitzer ganz und gar nicht. „Der dicke Bulle steht morgen früh um drei Uhr mit dem Geldkoffer, einem Auto und dem Handy am Taxiplatz am Henninger Turm. Keine Mätzchen, sonst Kuno Fornet tot.“
    Dieter Wagner besah sich den Umschlag. „Gestern in Frankfurt abgestempelt. Warum melden die sich nicht auf dem Handy? Merkwürdig, merkwürdig. Hm? Die scheinen ziemliches Gottvertrauen in unsere Post zu haben. Was, wenn der Brief erst morgen zugestellt worden wäre?“
    Herr Schweitzer konnte sich diesem Gedankengang nur anschließen. Seit der Privatisierung war die Post auch nicht mehr das, was sie einmal war. Schon mehrmals waren an ihn adressierte Brief an den Absender zurückgegangen, obwohl sein Name klar und deutlich am Briefkasten stand. Und schon des Öfteren hatte er Zusteller dabei beobachtet, wie sie, Analphabeten gleich, sich mit der Adresse abmühten. Um Geld einzusparen, nehmen die anscheinend inzwischen jeden. Sehr zur Freude der Aktionäre und zum Leidwesen der werten Kundschaft. Aber Staaten, so fuhr Herr Schweitzer mit seinen Gedanken fort, die Post und Bahn privatisierten, sind eh weit davon entfernt, das Gemeinwohl auf ihre Fahnen geschrieben zu haben – ein weiterer Schritt zum Turbokapitalismus, den eigentlich nur diejenigen wollen, die ihr Maul respektive Konto nicht voll genug kriegen können. Vielleicht hat dieser ominöse B. O. Harry doch Recht: So macht sie tot, so schnell es geht, die Welt sich wieder vorwärts dreht.
    Spaßeshalber fragte er: „Welcher dicke Bulle?“
    Sein Kumpel Mischa: „Och, keine Ahnung. Vielleicht der Krause, der hat so ein kleines Wohlstandsbäuchlein?“
    Selbst Dieter Wagner wartete mit Spurenelementen von Humor auf: „Äh, Herr Schweitzer, Sie können jetzt doch zu Ihrer Freundin duschen gehen. Sie werden erst

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