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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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heute Nacht wieder gebraucht.“
    Sehr lustig, dachte dieser, aber wirklich gram war er dem BKA-Leiter nicht, denn endlich kehrte nach all der Hektik der letzten Tage mal ein wenig Ruhe ein. Herr Schweitzer schaute auf seine Uhr. Halb elf, da ließ sich doch bestimmt irgendwie ein kleines Schläfchen einbauen. Er hoffte nur, es inzwischen nicht verlernt zu haben. „Yeap. Dann geh ich doch mal rüber. Wenn was ist, mein Handy ist eingeschaltet. Ich werde es sofort aufladen.“
    Erst wenige Meter hatte er in seinem Twingo zurückgelegt, als er eine ältere Dame erblickte, die sich am Briefkasten der Familie Stranz zu schaffen machte. Huch, dachte Herr Schweitzer, wie eine Briefträgerin sieht mir die aber nicht aus. Er hielt an und stieg aus.
    „Entschuldigen Sie, sind Sie Frau Stranz?“ Er hatte auf die Großmutter getippt.
    „Nein. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“
    „Schweitzer, Simon Schweitzer. Wir, ich suche die Familie Stranz.“
    Die Dame zog ihre mit Frühlingsblumen bedruckte Kittelschürze glatt. „Die sind im Urlaub.“
    „Ich weiß.“ Dann hatte er eine Eingebung: „Ich arbeite für Herrn Stranz. Ein Kunde von uns hat ein kleines Problem und ich müsste dringend mit dem Chef sprechen.“
    „Ich soll hier nur den Briefkasten leeren. Sie wissen ja, Einbrecher achten auf so was.“
    Aha, überlegte Herr Schweitzer, die Nachbarin. „Ich wollte seinen Sohn Linus sprechen. Vielleicht weiß der ja, auf welchem Campingplatz die sind. Ich könnte dann dort anrufen. Es wäre echt wichtig.“
    „Linus ist doch mit“, erklärte die Dame irritiert. „Hat er Ihnen das nicht gesagt?“
    „Äh, nein, davon weiß ich nichts“, schwindelte er.
    „Na ja, drinnen“, sie deutete mit der Hand über die Schulter, „hab ich die Nummer vom Linus, falls was mit dem Haus ist. Er hat sich von einem Freund ein Handy ausgeliehen. Sein eigenes hat er verloren, hat er erzählt.“
    „Oh, das wäre furchtbar nett. Wissen Sie, unser Kunde ist richtig stinksauer. Der Chef soll da mal persönlich anrufen, der kriegt das bestimmt geregelt.“
    „Na, dann kommen Sie mal mit. Wir wollen doch nicht, dass die Firma deswegen Ärger bekommt.“
    „Danke, dass ist sehr nett von Ihnen“, ließ Herr Schweitzer weiterhin seinen Charme spielen. „Herr Stranz wird echt froh sein, wenn das Problem aus der Welt ist.“
    „Ja. Aber wundern Sie sich nicht, falls der Anrufbeantworter sich mit Hatschi meldet. So heißt er nämlich, sein Freund.“ Die alte Dame kicherte. „Hihi, Hatschi, komischer Name. Der ist auch manchmal hier, Musik machen. Die haben nämlich so eine Combo und üben manchmal hier im Keller – meistens sind sie ja in ihrem Bunker. Und die sind dann zuweilen so laut, dass ich es bis zu mir hören kann. Aber die Musik, sag ich Ihnen ... die Musik! Ist gar keine richtige Musik, wenn Sie mich fragen. Mehr so Häwi Meddel – so nennen die jungen Leut das, glaub ich.“
    Er vermutete hinter Hatschi Tschatschi, wenn er sich bei seinem Gespräch mit Gilberto Fornet nicht verhört hatte.
    Da sein Akku noch leer war, probierte Herr Schweitzer Linus’ Nummer von Marias Festnetz aus. Es meldete sich aber nur der AB. Und zwar mit Charly Schimanski. Tschatschi und Charly Schimanski, das macht Sinn, überlegte er. Dann telefonierte er noch mit seinem Kumpel Schmidt-Schmitt und informierte ihn über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit der Familie Stranz.
    Maria war nicht zu Hause. Herr Schweitzer begab sich umgehend in sein Königreich Bett und rechnete nach. Wenn ich um sechs ins Weinfaß gehe, um drei erst wieder gebraucht werde und pro Stunde null Komma eins Promille abgebaut werden, so kann ich locker, vorausgesetzt, ich fange pünktlich an, zwei Gläschen Wein süffeln. Und mir mal so richtig den Bauch vollschlagen – Herr Schweitzer hatte ein saftiges Steak vor Augen –, wäre nach all den Brötchen, in denen ja mehr Luft als sonst was war, eine reelle Maßnahme, Kraft für eine erneut lange Nacht zu tanken. Bedenken ob seines nicht ganz ungefährlichen Jobs als Geldbote hatten sich noch nicht eingestellt. Wird schon klappen, redete er sich ein, hat bisher immer alles geklappt. Außerdem hatten die sich dafür nicht umsonst explizit den
dicken Bullen
ausgewählt. Herr Schweitzer hegte den Verdacht, die hielten ihn für völlig harmlos und wollten einfach nur, dass die Aktion astrein vonstatten ging, ohne Mätzchen, gemäß ihren Worten. Er überlegte, ob
ohne Mätzchen
ein typisch hessischer Ausdruck war.

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