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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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seinem Herzen lag, hatte er das Auge geschlossen, die Stirne von den Furchen befreit und die Gestalt von allen Gewichten des Wagens. »Schwöre nicht!« flehte er küssend, »Versprich nichts!« küßte sie flehend, »Trinke die Sekunde, die meine letzte ist!« schlang er versinkend, »Und meine erste!« jauchzte sie hingegeben, »Und wisse es, daß sie von keiner Ewigkeit mehr kann ausgelöscht werden!«
    »Niemals, nein! Niemals!«
    »Odysseus und Nausikaa, einmal waren sie Eins! Einmal, Nausikaa, –«
    Im gleichen Augenblick, wie der Mann, der aufwacht und den Traum abschüttelt, fuhr er empor. »Hörst du, Nausikaa? Hörst du?«
    Und, wahrhaftig, links vorne vom Gestade ward das Schiff über die Walzen und Stricke ins Meer geschoben!
    »Sie schieben schon das Schiff in das Meer hinaus, das mich hinübertragen soll!« stieß er schaudernd hervor. »Laß mich gehn!«
    »Scheide!« lächelte sie nur. »Wandere!«
    »Nein!« stammelte er weiß wie der Schnee. »Nicht mehr gehen und ziehen und wandern! Sondern: heim! In die Heimat! Nach Hause!«
    Aber sie lächelte auch jetzt nur. »Heimkehr! Ja, freilich! Nach Hause!«
    Stöhnend in Schmerz wand er sich: aus dem Wirrsal der schattenhaften Kakteen herab stieg ein Mann. Kannte er diesen Mann nicht? »Ich muß gehn, Nausikaa! Ich muß gehn!«
    Ohne jede Furcht schmiegte sie sich kosend dem Boden hin. »Du wirst nicht gehn, Odysseus!«
    Als ob er versuchen wollte, ob ihm der Leib noch gehorchte, lief er weg von ihr. Kehrte gleich wieder, noch rascher zurück. »Ich muß gehn, Nausikaa!«
    Lächelnd, ohne die geringste Bangnis, küßte sie die Erde, die ihr die Hochzeit bereitet hatte. »Du kannst nicht mehr gehn, Odysseus!«
    »Wenn der Tag wiederkommt,« – zitternd an allen Gliedern sah er nieder auf sie – »da mich graulich der Nebel des Nordens umfängt?«
    »Dieser Tag kommt nicht!«
    »Und ich einsam verlassen mich der Sonne erinnere im gepeinigten Schlummer?«
    »Dieser Tag kommt nicht!«
    »Könnt' ich zum Augenblicke sagen,« – gefoltert stampfte er in den Boden – »verweile doch! Du bist so schön! Verweile!« schrie er, daß die Erde erzitterte und das Meer entsetzt aufrauschte. »Verweile!«
    Stille aber ward die Erde wieder; und stumm das Meer. Und der Augenblick – er sah es! – dahin schon!
    Mit einem Ruck senkte sich seine Gestalt. Hart ward seine Miene. Zu vollem Tode erlosch das Auge. »Lebewohl, Nausikaa!« sagte er ohne Ton.
    »Lebewohl, Nausikaa!« wiederholte er, ebenso fremd, weil sie sich nicht rührte.
    »Lebewohl, Nausikaa!« Zum drittenmal.
    Da, während ihr Leib sich, gerissen, dem Boden jetzt entwurzelte, ward ihr Auge vor seinem Aug Wahnsinn. »Es ist – nicht möglich!«
    Ruhig nahm er ihre Hand; zog sie empor. »Lebe wohl, Nausikaa!«
    »Es ist – nicht wahr!«
    Sanft nahm er sie an seine Brust. »Du ließest mich mein Nest finden. Und mein Nest ist: meine Aufgabe! Sei sie klein oder groß, – wie die Götter es wollen – ich habe sie zu tun! Lebewohl, Nausikaa!«
    »Ich will« – jetzt, mit Grauen, sah ihr Auge die Meduse der Liebe! – »ich will dem Schicksal den Saum seines Dornenkleids küssen, wenn es mir nur gewährt, dir die Schuhe zu lösen, wenn du heimkommst, abends, ermüdet . . .«
    »Lebewohl, Nausikaa!«
    »Nur erlaubt,« – wie aus ertrinkendem Mund brach das Wort, – »wie dein Schatten dir nachzugehen und die Luft, die du atmest . . .«
    »Lebewohl, Nausikaa! Es muß sein!«
    Als müßte ihr das Herz in der Brust drin zerbrechen wie ein gläsernes, wenn sie es nicht schnell und fest in die Hände nähme, preßte sie die Hand auf das Herz. Und die Lippen, in der letzten Hoffnung ihrer kindlichen Armut, öffneten sich, wollten ein Wort sagen . . .
    »Sprich es aus, Nausikaa!«
    »Odysseus!« – die Lüfte weinten im Messer dieses Schreies – »sieh: Nausikaa bettelt!«
    Das Leben gefror ihm in den Adern. Ganz groß und steif wurde er. Aber den Arm riß er wie eine Waffe vor die Augen. »Lebewohl, Nausikaa!«
    »Nein, verlaß mich nicht. Du!!« Hatten jemals Menschenhände sich so verzweifelt in den Himmel gehoben? Eine blutende Wunde sich so purpurrot aufgetan vor der Erde und um Gnade gerungen? Eine Stimme so am Rande des Irrsinns die leichtrollenden Wasser verdammt? »Nein! Verlaß mich nicht! Laß mich nicht! Odysseus!!«
    Aber Odysseus, – Odysseus war da schon draußen im Pfad in den Steinen gelandet. »Es ist gelungen!« rief ihm Kniep schon von weitem entgegen und ließ das Blatt in der

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