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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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aber, unvermittelt, sprachen sie wieder wie Brüder. Wie Gleichgültige. Sanft, ohne Erregung. Ebenso plötzlich jedoch von neuem klang Stich gegen Hieb, Wut gegen Trotz. Geduldig lächelnd hörte Goethe. Gespannt aber behielt er Moritzens Miene dabei im Auge. Moritz hatte bis nun geschwiegen. Aber mit einem Schlag schwiegen auch die andern. Eine Kirchenglocke hatte aus der Ferne geläutet. Mit unheimlicher Plötzlichkeit, wie in Staub zerpulvert vom Hammer des siegenden Mittags, schwieg sie. Und nun schien es, als ob der grasige Weg mitten zwischen zwei sengenden Fernen liefe, traumundeutlich und schwankend. Zügellos begann sich die Tiefe des fast weißen Himmels über der zauberhaft verwandelten Landschaft aufzuspannen. Im Dampf der Glutwelle, die sich jäh emporwälzte, versanken die Sabinerberge, alle Existenzen zusammenschmelzend wogte die Flamme des Südens auf, wie ein erschreckend stiller Urwald von flimmernden Brandsäulen raste der Westen. Unwirklich aber wälzte sich der Tiber durch den Rausch dieser Orgie. Hügel, deren Bögen sich immer wieder auflösten, tauchten zu seiner Rechten auf; bald dämonisch nahe, bald phantastisch ferne die Riffe des Sorakte zu seiner Linken. Während die Weideteppiche, Altwässer, Eukalyptusgruppen, Hütten, Herden, Sandbänke der Erdflur in magischer Bewegung unter den Füßen der Verblüfften hinwegrollten und rollend mit der völligen Unbestimmbarkeit ihrer Farben und Formen ihre Augen behexten. »Moritz,« rief Goethe, wie aus dem Bewußtsein, Fieber über den Leib rieseln zu fühlen, »nun erzählen Sie uns von Demeter! Hier ist Raum für Demeter!«
    »Nein!« stampfte Bury in den Boden – es war allen Wohltat, zu erkennen, daß ein Menschenfuß noch in den Boden stampfen konnte – »nicht von Demeter! Von Eros!«
    »Triptolemos,« wollte Moritz gerade beginnen, – da erschien ein eigenartiges Glänzen auf seinem Gesichte. »Pan!« rief er durch die schnell gehöhlten Hände in den Hang der Steineichen hinauf, die mit wahnhaftem Atem zwischen schillernder Weide und flackerndem Himmel schaukelten. »Pan! Pan! Wo bist du?«
    »Wo bist du?« kam schnippisch ein Echo zurück.
    »Komm herab, Pan!« rief Moritz noch verwegener. »Zeige dich uns Verwirrten! Wir erwarten dich! Komm herab, Pan!«
    »Komm herab, Pan!« spottete das Echo. Und als ob ein Blitz niedergefahren wäre, stoben die fünf Männer auseinander. Ein wildes Gebrülle, das die wellende Luft wie mit Peitschenschlägen zum Wüstenwind anwehte, stieß aus dem Schilfrohr vor ihnen. »Komm herab, Pan!« wiederholte wie aus auf ewig versunkenem Altertum das Echo, in tausend Rohren gebrochen kreischte das Schilf, mit tollem Beben ertönte die Erde; und, Glotzauge über den brennroten Dampfnüstern, sprang der Büffel aus der Fessel des Schlamms. »Weicht nach links aus!« rief Goethe, »Nimm deinen Knüppel, Bursche!« schrie Schütz Bury an, »und hau zu!«, der eine sprang rechts aus, der andere lief den Weg weiter, der dritte umklammerte in bewußtloser Drehung den nächstbesten Baum, – da: Trompetenstoß, und mit wütend geducktem Schädel, die Gabelhörner wie Säbel der Luft entgegengeschleudert, stürzte das Tier durch die letzten Schäfte, erreichte die Flur, schüttelte den Schlamm vom Riesenleib und brach in gestreckter Hatz nun talaus.
    »Es war natürlich Pan!« lachte Schütz – befreit atmeten sie auf – und ließ sich, daß die Erde dröhnte, ins Gras niederfallen. »Aber auch wenn man mir jetzt die zehn Rappen des Prinzen Colonna vorspannt, ich bleibe da sitzen und frühstücke.«
    Als ob sie aus einem Traum erwachten, wortlos, sahen sich die Vier an.
    »Herr Geheimerat,« lockte Schütz tückisch aus der Tiefe, er löste bereits kunstfertig die Schnüre des Ränzleins, »vorerst ein leckeres Sardinchen aus Ostia? Oder von der Zunge des Rindviehs von Paestum?« Und mit wollüstig gekniffenem Auge blinzelte er: »Den Büffel können Sie ja doch nimmer zeichnen!«
    Eigentümlich bleichen Gesichts und eckig trat Goethe von Bury weg und legte dem Gierigen die Hand auf die Schulter. »Steh auf! Oder frühstücke allein! Es ist noch nicht Zeit!«
    »Wann – wird es denn Zeit sein?«
    »Es ist noch nicht Zeit, sage ich!« wiederholte Goethe schnaubend. »Verstehst du?«
    Mit einem Fluch schnellte Schütz empor; stürzte Meyern in den Weg, der beifallinnig Goethen eben folgen wollte. »Weil er wieder einen neuen Teufel im Leibe hat!« stieß er giftig hervor und drängte spielend den zarteren

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