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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Geschäften zurückgelassen, und es ist eine meiner zahlreichen Gaunereien, daß ich hier in Müßiggang und Wollust mein Gehalt weiterbeziehe, indes sich die Herren Kammerräte in Weimar für mich den Schweiß aus den Knochen schinden? Nicht?«
    »Exzellenz!« Wie von einer Pfanne voll feuriger Kohlen sprang Krantz auf. »Es ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen . . . .«
    »Kräntzchen!« Geradezu gerührt klang's. »Und hier in Rom fröne ich Lappalien, bin frère et cochon mit schmierigen Bohemiens und verliere die Ideale, die mir Weimar eingetrichtert hat? Nicht? So genieren Sie sich doch nicht und schießen Sie doch endlich los, Mensch!«
    Aber der aus allen Konzepten gerissene Mensch trat nur an die Staffelei heran und sagte mit der Miene eines Predigers, der das verlorene Schäfchen zurückzuholen begehrt: »Ganz Weimar, jeder Mensch in Weimar, vom Grafen Goertz unten angefangen bis herauf zu Ihrer Durchlaucht, der Frau Herzogin Mutter,« – mit tränenerstickter Stimme sagte er es –: »der Herr Herzog, die Frau Herzogin, Herr Herder, Frau Herder, Herr von Knebel, der Prinz von Gotha, die Herren Professoren in Jena, der Herr Geheimerat Voigt, Herr von Einsiedel, – alle , Exzellenz, ich kann nur sagen: alle, es ist eine einzige Stimme in ganz Weimar . . .«
    »Was für eine Stimme?«
    Nein, sagte sich der Herr Konzertmeister, als ihm dies fast rohe Lachen in die Rippen fuhr, ich verstehe nichts von Malerei, ich bin ein Musikante. Aber dieses Bildchen heißt nichts! Es könnte geradesogut die Brücke im Park über die Ilm darstellen, wenn diese Brücke nicht ein Holzsteg, sondern eine Steinbrücke wäre. Und wäre auch dann miserabel. »Der kleine Herr Baron, zum Beispiel . . .«
    »Was für ein Baron?«
    »Ich wollte nur andeuten . . .« Aber im Augenblick darauf wollte Herr Krantz nichts mehr andeuten. Ohnmächtig floh sein Auge in die Dinge des Raumes. Ja! Wenn man sich in diesem Chaos nur zurechtfinden, aus diesem Chaos dasjenige Ding nur herausfinden könnte, das die gegenwärtige Seele des Herrn von Goethe deutlich offenbarte! Ich bin in Rom! sagte sich Herr Krantz zum drittenmal vor. Bei Goethe in Rom! Kraut sich nicht seit einem Jahre ganz Weimar die Ohren über den Sinn dieser drei magischen Worte: Goethe in Rom? Also: pack zu! Greife ihn an! Enthülle ihn! »Ich meinte nur,« begann er daher nach ungeheurer innerer Anstrengung von neuem, – aber auch diesmal ward ihm der Mut fortzufahren einfach geköpft. Dieser Mann malt jetzt ja Landschaften. Hat mit Herrn Hackert, kaum zurück aus Sizilien, vierzehn Tage lang irgendwo da draußen gezeichnet. Zeichnet allabendlich bei Herrn Verschaffelt. Redet allmorgendlich mit Herrn Trippel vom Zeichnen. Läuft mit Frau Kaufmann zum hundertstenmal in die Galerien, um dem Poussin seine Tricks abzugucken. Streitet mit Herrn Reiffenstein über die Farben. Hat neulich eine schlaflose Nacht wegen eines Kolorits zugebracht. »Ich habe Herrn Schütz,« sagte er nun, zum letzten Versuch entschlossen, »wie er sich mir gestern vorzustellen die Güte hatte, gar nicht glauben wollen, als er mir erzählte, Exzellenz seien von der Dichtkunst ganz und gar abgekommen und zur bildenden hinübergewandert.«
    »Bin ich zur bildenden hinübergewandert?«
    Ratlos rüttelte sich Herr Krantz. »Ich begreife, natürlich! In einem Lande, wo, wie ich ahne,« – nun lächelte er fast trunken – »dem Komponisten jeder Stein eine Melodie tönen, etwas zum Komponieren einflüstern wird, mag der Dichter vor allem überall nur Bilder sehen, Phantasien von Linien, Formen, Farben, . . . Visionen, Träume . . . . .« Nein! So ging es auch nicht! Als ob er sich zu Tode schämte, in eine Diktion verfallen zu sein, die zu seiner Simplizität nicht paßte, steckte er das Gesicht hinter den Fächer der linken Hand. Hob es, noch verlegener, gleich wieder daraus empor, reckte den rechten Arm nach dem schattenlos leuchtenden Gipskopf im Blauweiß der Wand hin und stotterte: »Wer ist das?«
    »Zeus.«
    »Und der da?«
    »Hermes.«
    »Und die da?«
    Mit strömendem Glückston: »Hera. Weib. Meine Göttin!«
    Verdonnert schüttelte Herr Krantz das Haupt. Er zählte im ganzen eilf Bildnisse. Sie sagten ihm nichts. Sie standen wie zufällig verstreute Gedanken einer Seele, zu der er nicht fand, ringsumher auf Böcken, die Kreide, Kohle, graues Papier, Weißholzrahmen, Lehmballen und Farbennäpfe trugen. Auf Postamentchen, die von Volkmanns, Winckelmanns und

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