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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Landschaft dann ganz prächtig koloriert. Aber . . .
    Er stand auf. Ein Zweifel gehe ihm nicht aus dem Sinn, so hartnäckig er sich auch gegen ihn stemme, und so sehr ihm die wachsende Klarheit in Gesprächen und Untersuchungen mit Meyern unrecht gebe. »Der Zweifel: ist unser Material, unsere historische Kenntnis von der Entwicklung der Kunst nicht zu – pauvre, als daß wir uns heute schon mit theoretischen Sammelerklärungen hervorwagen dürften? Sooft mir einer sagt – und jeden Tag sagt es mir einer –: dieses neuaufgefundene Bild, dieser ausgegrabene Torso ist, in seiner Art, gewiß das Höchste, was die Welt kennt, werde ich verstimmt. Ich brauche nur an den Kardinal Albani zu denken, um auf den Einfall zu kommen: liegt denn nicht Tausendfaches noch unter der Erde? Und der Betrug, den Mengs mit seinem antiken Gemälde an Winckelmann ausgeübt hat? Bitte! Wenn Winckelmann hereinfallen konnte! – Aber noch etwas anderes!« Er vermöge sich zwar der Lehre von der »edeln Einfalt und stillen Größe,« vermöge sich dem Abstand zwischen Raffaels antikem Maße, bei fast raffiniert bildendem Verstande, gegenüber Michelangelo nicht zu verschließen. Er könne auch Meyern, der jedem Kunstwerk mit – »ja, ich möchte sagen: Tabulatur-Gesetzen« – kritisch nahe, nichts an begründetem Einwand entgegensetzen. Aber . . .« Rasch kam er auf die stille Frau zu und ließ sich neben ihr auf dem Diwan nieder. »Ob wir nicht alle zu unfrei, zu nordisch, zu philiströs, zu – genielos den Werken der Alten und der Renaissance gegenüberstehen? Ja, wenn ich mich schöpferisch in der bildenden Kunst betätigen könnte!« Ungestüm fuhren die Hände an die Schläfen, es flammten die Augen auf, während die Donner nun brüllten, die Wasser sausten. »Dann würde ich bald ohne Vorurteil sein! Aber so? Ich komme nicht an! Ich gelange nicht hin! Und, sehen Sie, – das begreife ich nicht! Verstehe ich nicht! Ich habe doch eine geradezu brennende Liebe zur bildenden Kunst. Ich ahne, wenigstens, ihre Gesetze. Ich besitze ein treu ausgebildetes Auge. Lerne, versuche mich, ergebe mich ganz , ja tyrannisch der gewissenhaftesten Übung. Und dennoch: es geht nicht! Geht einfach nicht!«
    Lange, stumm nagende Pause.
    Endlich, tapfer fragte die Frau: »Und was ist mit ›Egmont‹?«
    »Lange schon fertig!« Als ob er nach Atem ränge, sprang er auf. »Ging den ersten des Monats nach Zürich zu Kaysern ab.«
    »Und jener Stoff, den Sie in Sizilien . . .«
    »Und Sie?« Und mit gerungenen Händen kam er von zwei halbfertigen Bildern, die gegenüber der Mutter der Gracchen an der Wand standen, zu Angelica zurück. »Wann werden Sie einsehen, daß Sie Ihr ungeheures Talent prostituieren, wenn Sie ewig fortfahren, je zehn Bilder auf einmal zu malen? Nein,« widersprach er hart, als sie mit einem traurigen Achselzucken antwortete, »Sie dürfen sich nicht dazu hergeben! Lassen Sie Zucchi toben und rasen! Er hat nicht recht! Er ist der beste Mensch von der Welt, aber kein Künstler! Er soll Gott auf den Knieen dafür tagtäglich danken, daß er Sie zur Frau hat, aber nicht ausnützen darf er Sie! Schütteln Sie den Kopf nicht!« Streng preßte er ihre Hände. »Ich will mich gewiß nicht in Dinge mischen, die mich nichts angehen. Aber das kann ich nicht länger still ansehen. Sie arbeiten sich stumpf. Stöhnen unter der Fron dieser gierig einkassierten Aufträge aus aller Herren Ländern. Wieviele Selbstporträts, zum Beispiel, haben Sie schon bemalt? Siebzehn? Achtzehn? Neunzehn? – Entsetzlich! Und wieviele Bilder aus Ihnen selber, aus Ihrem Innersten, aus dem Zwang Ihrer Seele, – Ihrer Künstlerseele heraus?« Drohend stand er vor ihr. »Antworten Sie!«
    »Ich kann ja nichts!«
    »Sie wissen genau, wie ungeheuer viel Sie könnten!«
    »Gewiß: ein Talent. Aber ein mittelmäßiges. Frauenarbeit! Gerade genug, um verdienen zu können. Nicht aber, um . . .«
    »Um?«
    »Ich meine,« – groß schlug sie die traurigen Augen zu ihm auf – »wenn ich nicht malte, es würde nie und nirgends vermißt werden.«
    »Kennen Sie heute eine Malerin gleichen Rufs neben Ihnen?«
    Kein Wort.
    »Wissen Sie, wieviel Sie zu können vermöchten, wenn Sie nur malten, was Sie malen müssen?«
    Kein Wort. Aber ihr war, als flammten die Blitze, predigten die Donner in seinen Worten, rauschte das Element des Flüssigen, Dessen, was ewig wallen kann, nicht erstarren, sich nicht ergeben muß, sondern lösen, erlösen, tauen, strömen und netzen

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