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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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als sie da den Korb über den Gianicolo herabtrug, bei San Piero in Montorio, – Regina, sagte sie auf einmal, mir wird plötzlich so sonderbar, du mußt mir auf ein Weilchen den Korb da . . .«
    »Und der Vater?« fragte er blitzschnell und hob das Köpflein, das wie abgeschnitten niedersank, mit rascher Hand zurück empor. »Der Vater?«
    Sei Zimmermann.
    »Und?«
    Als sauste ein Geier schreiend von der Decke herab, um es gefräßig anzufallen, fuhr das Mädchen auf. »Und?« frug er sogleich von neuem. »Sag's! Was ist mit ihm?«
    Wild erhob sich das geschlagene Häuptlein. Weit auf strahlten die Pupillen. Zorn, Haß, Empörung siedend in den Wangen. Das! Ja, wenn das nicht wäre! Sie stehe nimmer auf, die Mutter, das wisse sie wohl. »Und wenn ich vor dem Sakramente bete, bis ich umfalle, nicht! Aber der Vater wird die Beppina heiraten. Gewiß! Er hat nur darauf gewartet. Als die Mutter gestorben war, hat er sie unter Tränen geküßt und gejammert und geschrien. Und eine Stunde drauf, ich bin gerade hinabgegangen, um beim Wirte Essig zum Waschen der Leiche zu holen, – da hat er, – nein, das sag ich nicht!«
    »Sage es doch, Regina!«
    Beide Händchen wie bebende Flügel über dem Gesichtlein: »Nein! Das sag ich nicht!«
    »Sage es doch, Regina!«
    »Er hat sie jeden Tag geschlagen.«
    »Dich nicht?«
    »Ich bin ja nur sein Kind. – Nein, nein, ich sag es nicht!« Und trotzdem: nur noch enger, wärmer, fester schmiegte sich das Kind an ihn. Sein Leiblein war durch grausam viele Stunden von allen Furien der Verzweiflung gehetzt worden. Nun wollte es rasten. Augen schließen. Schlafen. Die Mutter mit dem Sohn im Schoße stand tröstend vor den müden Schmerzen auf. Schnell aber wieder rang das Bild der Mutter, wie sie auf dem papierblumengeschmückten Totenbett lag, lange gelbe Kerzen zu Häupten und Füßen, neue Tränen ab. Und: wer war dieser fremde gütige Herr? Bewußtlos irre ging der Blick schon wieder auf. »Jetzt lachst du ja schon gar ein bißchen?« lachte da der fremde Herr und schlang und streichelte noch näher. »Siehst du, vielleicht kann ich doch helfen?«
    »Nein!« Und atemlos, ganz plötzlich hob sich das Kindlein zu ihm auf; grub ihm die Händchen in den Hals. »Aber jetzt sag ich's. Ja, jetzt sag ich's! Eine halbe Stunde später hat der Vater . . .«
    »Nein, Regina!« Schnell schloß er ihr das Mündchen. »Ich weiß es schon. Gewiß, ich weiß es schon!« Und wie mit einem Schlag, und weggescheucht, schwieg nun das Blut, das bis dahin in immer tollerer Wallung aufbegehrt. In beide Hände nahm er das Gesicht des Kindes. Wollte es nicht küssen. Tat es dennoch. Mit scheuen Lippen Träne auf Träne aus den Augen, von den Wangen küßte er ihm. Ja, sang es süß in seiner Seele, jetzt bist du leicht zu rühren, Johann Wolfgang Goethe! Ein Pochen nur, mit Kinderhand getan ans übervolle Herz, und jede Schleuse sinkt und der gestaute Schwall braust jauchzend in die Gnade ein: des Liebens. Was heißt denn – hell flog das Aug ins Dunkel der Kapellenkuppel auf, dem's nun, nach der empfangenen Botschaft, gegönnt sein mußte, das Geheimnis auch dieser Urpflanze zu enthüllen, – was heißt denn: Dichter sein? Ein Künstler sein? Ein rastlos Gott und die Welt suchender Geist sein? Ein einzig Menschenherz, das einsam ist, erlösen, – ist das nicht mehr? Alles? Aber . . . Ja, was war denn das? Daß, während ihm das Herz da schmolz, das Eis aufging im Leide mit der fremden Not, die er nicht bannen konnte, ein Fühlen in ihm aufwuchs, umfragte, tastete, suchte, wie auf vorsichtigen Sohlen die Kirche, Rom, die Welt ausschlich, wieder zurückkehrte, nun plötzlich, sonnehell lächelnd, Gewißheit ward, und jetzt unmißverständlich deutlich sagte: Ton ist in deinen Händen! Schon geformter Ton! Des Schöpfers Wachs, aus dem er Menschen macht! Des Schöpfers Menschenform, rund, gewogt, gewellt, gemuldet, gebuchtet, nach Gesetzen? außerhalb von Gesetzen gebildet? dem Finger, wenn er ehrerbietig ist, erfühlbar, der ahnenden Seele erlauschbar –: des Schöpfers schönstes Geschöpf, der Leib eines Menschen! Sein Ebenbild!
    »Siehst du, Regina,« hob er tiefatmend, wie im Wunderbaren badend, von neuem an, »es ist nicht leicht, zu einem Kind zu reden. Aber wenn ich dich so an meinem Herzen da halte, als kennten wir uns schon sehr viele Jahre, dann mußt du nur denken, daß auch ich einmal ein Kind war. So wie du. So unschuldig, weiß und rein wie du.«
    »Und jetzt bist du es nicht

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