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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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verdauen. Das nämlich kann er nur oben, denn er ist ein Deutscher! Er hat ein Vaterland!«
    »Und ich hingegen sage Ihnen:« – und alles, was in Burys gärender Seele nach endlicher Klarheit über den noch niemals enträtselten Geliebten rang, glomm auf in dem feurigen Auge – »der Mann, den sie einen Hedonisten nennen, einen Epikuräer, Genußspecht, – er kann das Verzichten! Wie keiner! Aber der schwerste von allen Verzichten, die er jemals geleistet hat und je noch wird leisten müssen, ist der, an dem er jetzt hämmert: zurück zu den Seinen!«
    »Ich glaub es nicht.«
    »Warten Sie! Und Sie werden es sehen! Denn soviel schwöre ich Ihnen . . .«
    »Fritz!« rief es laut vom Wald unten herauf.
    Und sofort wieder, ohne ein Wort zu verlieren, rannten sie folgsam der Stimme nach. Landeten heiß und stumm, mitten im Berg, vor dem Schweigsamen, dessen Miene keine Trübung mehr zeigte; dessen Blick wie gezogen in immer wiederholten Reisen über den See hinüber nach jenem Hause in Castelgandolfo, und von diesem Hause wieder zurück über den See wanderte, auf die Hände, die über dem Stockgriff gekreuzt lagen. »Ein Boot?« fragte er leise, ganz leise.
    »Fischerboot,« antwortete Kayser. In der Mitte des Sees trieb ein Boot, just im Spiegel des farblosen Klosters von Palazzuola Gandolfo zu.
    »Schwer beladen?«
    »Er rudert's kaum vorwärts.« Der einsame Schiffer, schwarz aufgereckt in der taktstrengen Regung, ruderte im Schweiße.
    »Fische drin?«
    »Peperin,« erklärte Bury. »Sie bauen ein Haus.«
    »Steine statt – Fasanen?«
    Eine Viertelstunde später aber, unter der Laube des raschelnden Dezemberblatts der Eichen, im ebenen Weg nach Albano, ergriff er entschlossen Kaysers Hand und behauptete: »Richtig gesehen, ist Weimar wahrhaftig ein schönes Zuhause. Norden, aber echter. Ich denke an ein tüchtig brennendes Öfchen, Sturm, Schneeflocken . . . . . . .«
    »Und Kot und Provinzklatsch! Ja,« begehrte Bury trotzig gegen den vernichtenden Blick auf, »ich bin nicht feige und sage es nochmals: wie Jupiter nach Schilda, passen Sie nach Weimar.!«
    »Der Herzog,« fuhr aber Goethe nach mitleidigem Pauschen fort, absichtlich gemächlich, »ein fürstgeborener Mensch; oder umgekehrt. Was etwas sagen will in Deutschland! Die Herzogin: ein Rätsel. Nicht aufregend, aber gewiß nicht lösbar. Amalia: eine Frau nach dem Herzen großer Dilettanten in der Kunst. Herder: unersetzlich! Wer soll die Ideen zimmern, wenn die anderen alle malen, komponieren und dichten? Wieland ein gütiger Priester im Tempel der vorigen Literatur. Die anderen, Frau von Stein zum Beispiel . . .«
    »Das Boot ist verschwunden.«
    »Angelangt?« Fast listig blinzelte Goethe dem Maler zu. »Frau von Stein, zum Beispiel, eine Dame von außergewöhnlicher Kultur. Frau von Herder . . . .« Mit einem Ruck, so, als habe er einen unverzeihlichen Fehler begangen, richtete er sich steil auf. »Das Erste, wenn ich von Weimar rede, muß dieses sein: ohne den Herzog hätte ich Italien nicht gesehen. Das sagt alles! Aber, Kayserchen!« Und rasch griff er Kaysers Arm zurück; es war nun ganz hell auf seiner Stirn, seine Stimme klang heiter. »Kayserchen, höre! Etwas muß Er mir noch machen! Ich habe vor Monaten ein Liedchen geschrieben . . . .«
    »Was für ein Liedchen?«
    » . . . ein Liedchen geschrieben,« – höchst bedeutsam lachte er vor sich hin, »ich sag nur: ein Liedchen!«
    »Cupido, loser, eigensinniger Knabe?«
    »Nein.«
    »Also welches?«
    »Ich sag nur: ein Liedchen!«
    »Also was für ein Lied?« begehrte Bury außer Rand und Band am nächsten Morgen, nachdem er am Abend zehnmal umsonst gefragt hatte. Er schritt jetzt neben Goethen – Kayser war nach Rom zurückgegangen – durch die Weingärten überm See von Nemi nach Nemi hinauf. »Werd' ich's endlich erfahren?«
    Aber Goethe war noch immer ohne Wort. Es war ihm abgerissen worden gestern abend, als plötzlich wieder das Meer auftauchte hinter der grauen Dämmerung der Campagna, ein Meer ohne Funke von Licht, eine grausam schimmerarme Fläche, worin die Sonne kampflos ertrunken war. Und die Nacht, war die Nacht etwa lichter als diese tote Gräue gewesen? »Nein!« flehte er verzweifelt rundum und beschwor mit bettelnden Augen die Urpflanze in diesen eingerollten, gelben, grünen, roten und rostbraunen Weinblättern, in diesen unzähligen weißen, rosenroten und violetten Astern, die mit schmiegsam zum blausten See hinab lachenden Beeten im Morgen der

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