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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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toben – »daß du an eine Demission denkst. Stimmt das?«
    »Käme sie Ihnen erwünscht?«
    »Red' nicht so dumm!«
    Im Nu verwandelte sich Goethe. Strahlend vor dem entschlossenen Blick ging in Himmel und Erde die Schrift auf: ich geh nach Italien! »Dann bedarf es hierüber keiner Worte,« sagte er schweratmend. »Aber um Urlaub möchte ich Euer Durchlaucht bitten.«
    »Für – länger?«
    Aber erst, als sie wieder im Schritt waren, antwortete Goethe. »Ich wäre dankbar, dürfte ich gehen, ohne einen festen Zeitpunkt der Rückkehr schon heute zu bestimmen. Ich benötige, möchte ich sagen, einer Luftveränderung . . . .«
    »Ah! Endlich!!!«
    » . . . und einer gewissen neuen Sammlung. Das Amtliche ist soweit geordnet, daß es mich getrost eine Weile lang entbehren kann. Übrigens war ich in der letzten Zeit ohnehin zu nichts mehr nütze. Kehre ich zurück, dann hat die Maschine wieder Dampf.«
    Schwer schleppend, mit einem Schlag gesenkten Hauptes, schritt der Herzog. Also gab es auch in dieser Freundschaft von Jahr zu Jahr mehr und entschiedenere Wünsche, die sich nicht vereinen ließen! Da war er, der nach Neuem begehrte; und da war der Andere, der nach Neuem begehrte. Für jeden von beiden aber war das Neue etwas anderes! »Merkwürdig!« stieß er bleich hervor, sie näherten sich gerade den ersten Häusern, »selbst wenn dir Weimar bis an den Hals geht und mit dem Ersticken droht, verteidigst du es und hältst daran fest. Nicht reden!« setzte er atemlos hinzu; leidenschaftliche Handbewegung. »Es würde auch wirklich viel in mir zusammenbrechen, wenn ich den Glauben an deine unbedingte Treue verlieren müßte. Obwohl ich, offengestanden«, – einer Schafgarbe hieb er den Kopf ab mit dem sausenden Stock – »auch eine Untreue – von dir! – begreifen würde.«
    »Ich habe« antwortete Goethe schnell wie im Schwindel, trotz der Glorie von Freiheit, die jetzt zaubernah mitschwang in jedem Strahl, jedem Lufthauch, würgte ihn etwas, »eine Karte meiner Existenz auf Sie gesetzt. Und Sie dürfen nicht glauben, daß ich die riesenhafte Bändigerarbeit nicht sehe, die Sie brav gegen Ihr Temperament leisten. Im Gegenteil! Ich sehe alles!«
    »Und bist doch niemals zufrieden!«
    Schamlos schoß eine Träne aus dem mühsam offengehaltenen Auge. »Ich liebe Sie. Darum will ich Sie vollkommen sehen.« Als ob ihn ein Sturm im Rücken triebe, schritt er eilig und krumm. »Ich fehle nach meiner Fasson viel mehr als Sie. Aber ich sehe den Balken auch im Auge des andern gewiß nur aus dem Grunde, weil ich nicht nachlassen will , von mir das Höchste zu verlangen, und mich mitverantwortlich fühle mit jedem, der mit mir geht!«
    Musik, sorglose Polka, fröhlicher Gang, buntes Lachen lustwandelnder Menschen und jegliche Farbe war wach jetzt. Aber sie hörten nicht; sahen nicht. Als sie wie aus tragendem Traum vor des Herzogs Quartiertor ankamen, blickten sie einander an, als wären sie durch den lautlos ewigen Saal ihrer verbundenen Seelen geschritten.
    »Wohin du gehst, wirst du mir nach alter Gewohnheit nicht sagen wollen?« lächelte Karl August; sanft ließ er die Hand los, die er lange gehalten. »Denn eine gemeine Reise, ahne ich, wird es diesmal kaum werden?«
    Mit zuckenden Fingern griff Goethe ins Jabot. »Wenn Sie Ihre Güte krönen wollen«, bat er, ohne aufzublicken, mit erstickter Stimme, »dann sagen Sie niemandem, wieviel Sie allein wissen! Ich – kann's nicht anders machen. Ich hoffe . . . .«
    »Holländisch abschieben zu können?« Mit seinem liebevollsten Blick umarmte ihn Karl August. »Tu, was du mußt! – Abends bei Tafel?«
    * * *
    Freiheit? Auf einmal, endlich, wirklich: die Freiheit? In seligem Aufwärts, fanatisch, wölbte sich kostend die Brust. Umso entschiedener, – rücksichtslos biß sich der Erlöste durch den Menschenknäuel durch, aus dem ihn Blick um Blick habgierig anstach – umso unnachgiebiger heißt es jetzt: Ende machen! Abschluß! Bilanz! »Rück' mir das Werther-Manuskript herab!« befahl er Vogeln, dem Sekretär, kaum in der Stube eingetreten. »Zweites Fach von oben, drittes Abteil.« Und setzte sich sogleich an die Arbeit. Ohne daß er es merkte, ward der Mittag Nachmittag, der Nachmittag Abend. Ein nervöses Pfeifen auf den Lippen, die Hand an der Stirn, saß er über den Bögen: die vier ersten Bände der »Gesammelten Schriften« mußten am siebenundzwanzigsten in Ordnung sein. Aber der Abend wurde Nacht, die Nacht schritt vor, – er nicht! Gepeinigt

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