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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Frankfurter!«
    »Der Bürgerliche, wollen Sie sagen?«
    »Ich kann nichts dafür, daß ich keiner bin!«
    »Aber es steht beim Fürsten, das obligate Potentatenspiel nicht mitzumachen. Ein höheres, bedeutenderes Leben zu führen.«
    Als ob ihm Eisenringe die Brust schnürten, atmete Karl August. Mit schmerzhaft durstigen Augen blickte er hinaus in die Weite. Sie waren auf dem Sattel angelangt. Flammende Wiese dehnte sich vor ihren Füßen, senkte sich, zwischen den links und rechts mählich abflankenden Ufern des Waldes hinab in die glastigen Wellen des Bodens, der, im Mittaglicht, Berglein, Hügel, Dorfschaften, Tümpel und Säume gierig eintrank. »Ich brauche Feld wie jeder andere!« brach er wie am Ersticken los. »Muß etwas wirken, erschaffen, leisten, erzeugen können!«
    »Für die menschliche Leistung gibt es kein weiteres Feld als das geistig-sittliche!«
    In prasselnder Glut ging Karl August auf. »Und es ist wahrscheinlich keine sittliche Idee, eine Nation aus dem Schlaf zu wecken? Ja, du! Du hast es leicht! Wenn dir dein Ilmenauer Bergwerk zu fad wird und die Kriegskommission die Gelbsucht anhetzt, dann gehst du ins unbegrenzte Reich deiner Kunst . . . . .«
    »Vide: Lila, oder Jery und Bätely!«
    » . . . oder deiner Naturwissenschaft, und tobst dich aus! Ich aber, – soll ich wie der Weimarer Stadtkirchturm unbeweglich brav hocken bleiben zwischen meinen schundigen Mistbeeten und keinen Muckser tun, wenn mir die Zunge beim Hals heraushängt?«
    »Es tut mir sehr leid,« antwortete Goethe nach trockener Weile ungerührt, »aber ich kann auch Ihrem Furor gegenüber von meiner Mahnung nichts nachlassen. Jeder gewissenhafte Mensch, auf welchem Platz immer er stehe, hat vor allem die Pflicht, Beispiel zu geben; das Lehren und Predigen kommt erst lange nachher daran. Ihnen also, da Sie nun schon einmal der Herzog von Weimar sind, obliegt die Aufgabe, es besser zu sein, als jeder, auch der qualifizierteste Andere vermöchte. Damit ist aber schon gesagt, daß Sie Ihre großen Anlagen nicht einem politischen Phantom widmen dürfen, das Ihrem Land höchstens mittelbar nahegeht, – sondern diesem Lande unmittelbar!«
    »Als ob ich der Landes-Rabenvater in Person wäre!«
    Ruhig ließ ihn Goethe ausbrausen. »Eben weil Sie auch den guten Durchschnitt deutscher Regenten weit überragen«, erwiderte er weise lächelnd, »muß jeder, den das Schicksal an Ihre Seite gestellt hat, rücksichtslos danach trachten, Sie zum Muster . .«
    »Eines Miniaturfürsten zu machen!«
    »In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!«
    »Dankbare Aufgabe!«
    »Jede ist dankbar, die Menschen erziehen hilft.« Und noch weiser, noch herzlicher lächelte Goethe. »Und wüßten Sie erst noch, welch hohen Ruf Sie bei den Besten rundum genießen, die Sie kennen, weil sie Sie erfahren haben, – dann würden Sie noch leichter begreifen, warum ich so inständig bitte: erhalten Sie sich Ihrem Lande!«
    Jäh ging Karl Augusts Kopf in die Höhe. Aber kein Wort mehr kam aus ihm heraus. Sie hatten den Rückweg angetreten. Stumm, mit starken Schritten gingen sie nebeneinander. Stille nahm sie der Wald wieder auf. Ward immer dunkler, schweigsamer, dichter. Die Schritte immer hartnäckiger. Ein Vogel sang jubelnd von weit hinten im Dickicht herüber. Das Stückchen Himmelblau über den reglosen Spitzen lachte mit ungemessener Freude herab. Als die Finsternis sich lichtete, die Bäume langsam zurücktraten, fiel die Sonne voll in den Grund herein. Ein paar Lärchen säumten jetzt noch den Weg. Nach scharfer Krümmung begann er rauh abzusteigen. Die Stadt erschien. Dach an Dach, die Türme, der Fluß, die Promenade. Plötzlich, unisono, läuteten die Mittagglocken. Der zurückgebliebene Wald schien begeistert zu lachen. Die niederfallende Halde, die Stadt, das Land um sie herum, alles frohlockte. Groß und nackt schwebte die Sonne. Ungefährliche Wölkchen segelten. Jugend glänzte über dem Grünen. Mut sprach aus dem heiter aufgerollten Licht in die Weite. Das Deutsche aus dem Handinhand der greifbar gerahmten Nähe. »Sage mir jetzt«, blieb hart Karl August stehen, unerbittlich blickte das tapfere Auge Goethen an, »warum habe ich diesen Sermon gerade heute gekriegt?«
    Wie gestochen fuhr Goethe empor: Das Stichwort!
    »Man hat mir in der letzten Zeit zugeflüstert«, fuhr Karl August fort, – als ob er erriete, daß in der Brust da neben ihm jetzt ein wildes Herz bange hämmerte, begann auch in seiner drinnen der Schlag zu

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