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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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wie Dreck aus!«
    »Das ist es,« – er keuchte – »was ich Ihnen sagen wollte. Und was ich Ihnen zeigen wollte . . . .« Ein sanftes Sichhinabbeugen zum Steine, und wie zu einem ahnungslosen Kinde ein inniger Vater redete er nun. »Sehen Sie diesen Stein da? Mensch!« Rasend in der Scham seines zweifelnden Stolzes: »Hören Sie überhaupt, was ich sage?«
    Als ob der grausame Gipfel nun schon überwunden wäre, leichthin lächelte Goethe. »Ich übersetze . . . ins Meinige.«
    Finster wie Zypresse ward der Alte. »Das Haus steht seit 1487. Francesco da Urbino . . .«
    »Ah?«
    »Jawohl! Sein Herr hat ihm das Geld dazu gegeben. Von Francesco aber stamme ich ab. Nie kam dies Haus in fremde Hand. Als ich ein Kind war von vier Jahren, führte mein Vater mich, an einem Feberabend, da heraus. Das war Vermächtnis! Von Vater je zu Kind. Ich zwar« – wie einen lehmigen Bissen würgte er's heraus – »ich hab' kein Kind! Und heute ist nicht Feber. Dennoch!« Mit einem Tritt zertrat er das letzte Zögern. »Ja! Dennoch! Am Abend des 9. Feber 1564, neun Tage vor seinem Tode, saß er, der Greis, auf diesem Steine. Daniele da Volterra und Tommaso de' Cavalieri hatten ihn heraufgeführt; auf seinem Maultier; über eigensinnigen Befehl. Angekommen, so ängstlich sie sich auch dagegen wehrten, schickte er sie fort. Auch Francescos Bruder, – Francesco war schon tot – der damals Hausherr war und schnell herübereilte, um seine Hand zu küssen, schickte er fort. »Geht nur, ich ruf' euch schon, wenn's Zeit ist.« Allein, er war bei Sonne angekommen, und wie's finster wurde, erwartete ihn die Drei noch immer fruchtlos hinter den Sträuchern. Er rief nicht.« Wie Röcheln raspelte der alte Atem nun. »Denn noch einmal, und höllisch wie noch nie, hat ihn vor diesem letzten Blick auf Rom der Krampf gepackt. Wie eine Garbe, die der Hagel umwirft, Wahnsinn und Ohnmacht im zerrenkten Antlitz, fand man ihn zur Nacht da liegen. Sein ganzes Werk: das Grabmal für Papst Julius, die Decke der Sixtina, das Gericht, die Pietà, den Christus in Minerva, die Gräber der Medici in Florenz, den Tambur der Kuppel dort, – wie ein gesammelt einziges erschien es nocheinmal vor seinem Auge. Und – entsetzte dieses Auge!«
    »Er war ein Greis!« Wie leicht abwinkend gegen Spuk, der umgeworfen werden mußte, lachte Goethe. »Unmittelbar vor seinem Tode!«
    »Und ist ein Greis, der auslöscht, leicht entsetzt?« Strich Donner aus dem Mund des Alten? »Ich hab' nicht Ihm gedient!« begehrte es auf mit Teufelsstimmen in der Brust drin, die nie licht gewesen war. »Nur mir! Dem Trieb des Künstlers, den ich nie verwand! Kein Werk entsprang der Inbrunst, Ihn zu preisen! Ein jedes nur der höllverdammten Gier, den Adler, der da drinnen tobte, zu befreien! Ich nur in allen, – und in keinem Er!« Und nichts mehr sah er von der Not, den Tränen, der Entbehrung, dem eingefressenen Gram ums Lieblingswerk, das ihm der Papst mit Schmeicheln angeschafft, sodann mit Schlägen abgeschafft. Nichts mehr von Kindesliebe, Bruderliebe, schwer erstrittener Keuschheit, Lammsgeduld, von Beten, Fasten, Hoffen, Schuften in einer Wüste von Borniertheit. Nur noch: die Eitelkeit, die Schmähsucht, Eifersucht, gallgelbe Selbstsucht, – und als das Zeichen selbstgemalter Strafe: den Zorn des Heilands im »Gericht«. Wie? Neunzig Jahre falsch gelebt? Dem Schein vertan? Dem Ruhm der eigenen Tat vergeudet? Todsünde ringsumher? Verzweiflung, – die Drei da hinten im Gebüsch sahn ihn sich krümmen, Hände ringen, schlottern, – Verzweiflung faßte ihn. So , so zurückgehen müssen? Mit nichts, mit weniger als nichts in Händen? » O! Miserere! « heulte er vernichtet in die Nacht auf, » Miserere! Miserere! . . . «
    »Hören Sie auf!« Das war nicht zu ertragen! »Hören Sie auf!«
    »Da sieht er plötzlich,« – und wie in plötzlicher Verzückung bekam die Stimme Klang und Süße – »vom Hause drüben, deutlich sich abhebend von diesem Himmel, kommt ein Weib; ein Kind an der Hand. Erst glaubt er's gar nicht, daß da jemand . . .«
    Wild stampft er in den Boden. Vom Hause drüben, deutlich sich abhebend vom Transparent des Himmels, kam ein Weib, ein Kind an der Hand.
    »Gerade so wie jetzt?« Flugs hingewendet, alle Glieder freiheitselig dem wirren Netz entrissen, lachte Goethe. »Nicht?«
    »'s ist meine Nichte mit ihrem Buben.« Armselig tote Stimme. Und ein armselig scheuer Schritt, – und er stand Leib an Leib vor Goethen. »Ich komm zu Ende, eh

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