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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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untergegangen. In vollem Fluß schoß der Strom der Luft herein in die Stube. Flimmer von Gold und Violett wirbelte an die Wände. Der quecksilberne Lärm der via Babuino herauf redete.
    »Das ist nun doch schön!« lächelte Moritz im Versteck des Vorhangs.
    »Nicht wahr?« Atemzug über Atemzug. O, wenn doch wieder Mut käme! »An der Quelle des Lebens! Im Nabel der Welt! Dies Gefühl der Erfüllung, – trotz allem!«
    »Und daß Sie da sind! Bei mir!« Goethe stand drüben im Fenster; so durfte das übervolle Herz sich herauswagen. »Nicht einen einzigen Tag, seitdem ich da liege, sind Sie weggeblieben. Beichtvater, Finanzminister, geheimer Sekretär, Pfleger und Arzt, – alles in einem mir geworden!«
    »Sollen Sie nicht besser schweigen?« Goethe hatte das Fenster wieder geschlossen. »Ist kein Fieber da?«
    Mit brennender Hand bat ihn Moritz heran. »Wie soll Ihnen der gestrandete Moritz das jemals vergelten?«
    »Es ist doch das Selbstverständliche!«
    »Und nichts seltener als das Selbstverständliche!«
    »Das wenigste, was unsereiner – von Sünden zugedeckt bis an den Hals! – tun kann: die Gelegenheit zu einem Brosamen Uneigennutz nicht vorübergehen lassen! Und übrigens« – endlich, endlich kam wieder Haltung! – »wissen Sie ja gar nicht, wie Sie mir helfen!«
    »Ich – Ihnen?«
    »Ohne Ihre Offenbarungen über die Eigenheiten unserer Silben, zum Beispiel, wäre meine Iphigenie nicht so leicht fortgeschritten.«
    Zu flackern hoben die fiebernden Augen an. In Unordnung kam das graugelbe Netz der Züge unterm Krankenstoppelbart. »Ich lebe mit der schauderhaften Überzeugung, ein Dilettant des Lebens und der Literatur zu sein.«
    »Diese Überzeugung ehrt Sie. Bescheidenheit ist alles. Aber der Unbeteiligte darf sagen, daß sie falsch ist.«
    »Ich glaube nicht an mich.«
    »Das – begreife ich!«
    »Das können Sie unmöglich begreifen! An Sie glaubt eine ganze Nation!«
    Tyrannisch ward Goethes Antlitz. »Wir reden jetzt von Ihnen, und nicht von mir! Sie haben ganz einfach die Pflicht, an sich zu glauben! Den Luxus des Zweifels an sich erlaubt die Natur nur dem Impotenten! Ist denn das Leben eine Aufgabe oder ein Seelenzustand?« Gott sei Dank, daß er jetzt wenigstens Worte fand! Nur reden, nur weiterreden! Heraus aus der Verstocktheit! »Lächerlich, zu verlangen, daß andere an uns glauben, wenn wir selber es nicht tun! So, wie man selber an sich glaubt, glaubt kein anderer an einen! Es gibt nichts, was die Menschen mehr voneinander trennt, als der Glaube an sich selber, den jeder hat, – haben soll! Sie sind ein vollkommen reiner Wille! Ihnen geht es ums Wahre! Den »Versuch einer deutschen Prosodie« schreibt Ihnen keiner in Deutschland nach! Und die Studien zur Anthousa . . .«
    »Aber! Herr Geheimerat!«
    Zornig in den Boden hinein stampfte Goethe. »Warum wollen Sie sich nicht helfen lassen? Ist es so leicht, allein weiterzukommen, wenn die Wege auf einmal steinig werden? Man muß alles annehmen, was sich zur Hilfe anbietet! Der Stolz des Mannes, der abweist, weil er allein siegen will, ist wider die Natur! Wir sind einsame Schwimmer im Meere und man wird uns verdammen, wenn wir nur deshalb nicht ans Ufer kommen, weil wir den Balken – übermütig – verschmähten! Ich ergreife jeden, der mir zutreibt.«
    »Das scheint Ihnen nur so.«
    »Das scheint Ihnen nur so.«
    »Sie brauchen gar niemanden.«
    »Wenn man durch die ganze Welt spazieren will?«
    »Ihnen ist die ganze Welt untertänig!«
    Wie einer, der zu spät merkt, daß er schon den Mantel abgeworfen hat, und nun, kreidebleich, fürchtet, er könnte plötzlich nackt dastehen, floh Goethe in die Mitte der Stube. »Geben Sie mir die zwei Bögen da mit. Ich bringe sie morgen wieder.«
    »Hat es nicht« – ohne Unterlaß hetzte den ruhelosen Moritz die Angst – »geklopft an der Tür?«
    Ja. Sie stand schon da, die Dienerin. Ein altes Weib. Die brennende Lampe und einen Brief in der Hand. » Felicissima notte! « sang sie mit vielrunzeligem Lächeln und setzte Lampe und Brief auf den Tisch.
    »Ist der Brief aus . . .?«
    »Berlin.« Mit weitausgereckter Hand reichte Goethe den Brief hinüber.
    Keuchen zwischen den Falten des Vorhangs. Finger, die in Todesangst suchten, zeigten von den Blättern, die wie Feuer prasselten, in die Luft hinaus; schnell wieder zurück in das Prasseln. Wie, ha! war die Katzenpfote des Schicksals hereingeschlichen in dies ohnedies schon schwangere Geflatter von Zwielicht?
    Klatschend fiel jetzt

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