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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Priester sein: den bitteren Kelch gereicht bekommen! »Wie hab' ich mich nach diesem Kelch gesehnt! Ein Kelch muß weihen können!«
    »Ein armer Narr!« Leibnah, gefährlich, stand das Weib vor ihm. »Er hat Euch sicherlich vom Wunder vorerzählt?«
    Was hämmert da, so heiß urplötzlich, raubtierträchtig drin in meinem Blut? »Kommt Euer Mann Euch nicht entgegen, dort?«
    »Mein Mann ist tot!«
    »Wo wohnt Ihr dann?« Du gut erzogenes Blut. wirst du parieren?
    »Bei meinem Vater.«
    Die liebestolle Hand noch tiefer drin im Haar des Knaben: »Der Oheim liebt Euch sehr?«
    Verwegen helles Lachen. »Das glaub' ich nicht. Ich bin ihm viel zu lustig!«
    »Seid Ihr so keck?«
    »Seid Ihr es nicht?«
    Da fiel sie. »Der verflixte Weg!« Nackt traf ihr Aug das seine. Gach schwoll der Leib in seinen Armen auf. Ein Riß – Besinnung! – »So!« Sie stand schon wieder.
    »Er wollte Maler werden.«
    »Wer? Euer Mann?«
    »Der Oheim. Aber es langte nicht. Nun redet er sich's dreißig Jahr lang ein, daß es nicht langte, – das Zeug dazu – weil er nicht richtig wollte. Als ob . . .«
    »Als ob?«
    Ein Feigenbaum, mit prallen Früchten überhängt, die trotz der Nacht wie dickes Blut das dicke Laub durchtropften, stand über ihr. Gerade über ihrem Haupte.
    »Als ob?«
    »Als ob man – nur zum Beispiel sag' ich's – lieben könnte, wenn man nicht g'rad müßte.«
    Sturm, Nadel, Feuer schoß in seine Adern. »Wie – wo – wohnt Euer Vater? In der Stadt? Im Borgo?«
    »Nein! Im Theater des Marcellus hat er die Osteria › la campana ‹.«
    »Und – wie heißt dieser Knabe?«
    »Gianbattista.«
    »Und Ihr?«
    »Faustina.«
    »Faustina! Du!« Und mit verhexten Armen, die roh das Joch zerrissen, das zu lang schon preßte, die Welt vergaßen, alles, nicht ihr Blut, riß er das Weib an sich. Wild, ganz, urganz an sich, den ganzen, hingeschwungenen Leib, Duft, Atem, Arme, Busen, Lächeln, Lachen. Und, wie ein Meer den Damm der Welt einreißt: Kuß, Trank und Trinken – un-, un-, unersättlich!
    »Faustina! Hör'!«
    Sie war schon fort. »Kommt mich besuchen!« scholl's wie sündiges Echo.
    Die Brücke vor der Engelsburg erdröhnte unter seinem Schritt.
    Das Pflaster, drin im Valle, schwang wie Stromflut unter seinem Schritt.
    »Ich bin Antäus!«
    Pechschwarzfinsteres Rom!
    Flammglanz im Antlitz, kam er heim. »Und bleib' Antäus!« Da sah er –: auf dem Tisch ein Brief. Von ihr? Hin an den Tisch! Von ihr? Nein! Nur von Seideln. Doch! Ein Einschlag steckt darin. Der – ist von ihr!
    »Ich weiß dir nichts zu sagen. So wie du schwiegst, so schweige ich nun. Schreibe, wo du meine Briefe aufbewahrt hast. Ich will sie haben!«
    Gestürzt, in einem einzigen Augenblick ins Nichts gestürzt, sank er aufs Bett. »Apoll!« schrie noch, vom Heft durchstoßen, stumm die Brust, »Du! Hera!« der erschlagene Geist . . .
    Doch nicht Apoll erschien jetzt; und nicht Hera. Der nackte Adam nur, der vor dem Engel floh; vor Michelangelos schwertwildem Engel.

Fünftes Buch
    Flügel
    »Und so war mein ganzes bisheriges Leben, von Anfang an!« schloß Moritz. Ergeben ließ er sich in die Kissen zurückfallen. »Ich komme nach Rom, finde Sie, wir reisen am fünften Tag fröhlich vom Meer nach Rom zurück, – und auf ebenem Pflaster breche ich mir den Arm und liege sechs Wochen im Bett!«
    Finster starrte Goethe durchs Fenster; über die abendlichen Dächer hinaus nach den Pinien des Janiculus.
    »Niemandem, solang' ich lebe«, bekannte Moritz trotz der purpurroten Scham in die Decke empor, »konnte ich so viel und so vertraut von mir erzählen, wie Ihnen. – Verzeihen Sie!« Wie ein geprügelter Hund schrak er zusammen. »Ich langweile Sie ja!«
    »Im Gegenteil!«
    »Im Gegenteil!« widersprach er. Die dreiundzwanzig Jahre dieses rastlos kreuz und quer gejagten Lebens, angefangen von der stickenden Enge des zwiespältigsten Kleinleutedaseins bis zur endlich erbettelten Professur am Grauen Kloster in Berlin, – wie zerfressene Koren aus glanzlosem Marmor trugen sie die Halle seiner irrenden Seele. »Sie dürfen nicht glauben, daß ich das Gesetz, unter dem das Genie steht, nicht errate. Es ist aus Weltgefühl gegen alles, was ist, duldsam; aber alles, was unter seinem Niveau bleibt, vermag es doch nicht zu berühren. Denn es muß . .«
    »Um Gotteswillen, wir reden doch jetzt nicht vom Genie!« Hart sprang Goethe auf. »Soll ich Ihnen nicht das Fenster noch aufmachen?« Er tat es. Die Sonne war hinter den Pinien des Janiculus

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