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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Instinkts!«
    Aber Tischbein, wenn Tischbein sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zwang er es auch gegen Aalglattheit durch. »Und dabei arbeiten wir Maler mit Vorsätzen; mit Programmen. Mit dem Verstande! Sie kennen die Forderungen, die Mengs an den Maler stellte: studiere die Griechen und Raffael! Sie wissen, wie Reiffenstein Hagedornen nachpapageit: erst die Carracci, dann Raffael, dann vom Herakles Farnese hinan zum Apoll, – dann den Apoll so lange nachgezeichnet, bis ihn die Hand im Schlaf nachreißen kann! Ich habe Ihnen auch erzählt, wie mich die ›Horatier‹ Davids auf die geklügelte Idee brachten, wir Deutschen sollten, sobald wir nur die Antike und die Nach-Renaissance studiert hätten, unsere Vorwürfe in der deutschen Historie suchen. Und Sie sehen jetzt, wie ich, kaum ein Jahr nach diesem famosen Einfall, schon wieder an einer antiken Fabel mich abschinde.« In Feuer geredet hatte er sich; aber mit zweckvoller Absicht. »Sie hingegen pfeifen auf die Motti und Richtungen, springen einfach so, wie Gott Sie geschaffen hat, hinein in das Wasser des Lebens, und warten lächelnd ab, welche von den unzähligen Wellen . . .«
    » . . . mich verschlingen wird! Richtig!«
    » . . . Sie zuletzt zurücktragen wird.« Ja! Nur tapfer! Nur eifrig! Jetzt galt es! »Und diese Sicherheit des eigenen Selbst, – wie Sie die nämlich errungen haben, – das steht in der ›Iphigenie‹. Nicht unterbrechen jetzt, bitte!« Bei Zeus! Einer mußte den Mut haben, in dies wandelnde Pulverfaß den Funken zu werfen, der es aufriß. »›Die schöne Gewalt einer disziplinierten Griechin über die düstere Blutwelt eines Barbaren, und die Raserei eines Verdammten‹ werden die neunmal Schlauen sagen. Die Kleinstädter eine Frau erkennen, die ein unziemlich wildes Männerherz zur Konvention zurückbändigt.« Blitzschnell, damit rasch und viel Lärm entstünde in der notwendigen Pause, schlug er die Hand auf das Knie. »In Wirklichkeit aber ist nichts anderes dargestellt als: der Triumph der reinen Seele über die Finsternisse ihrer eigenen Vergangenheit und die Wirbel ihrer Gegenwart; freilich: einer Seele, die von einer ebenbürtigen geliebt wird.«
    »Eben ein griechischer Vorwurf!« Wie Peitschenhieb sauste das Wort. »Kat' exochen griechischer Vorwurf!«
    »Das Kleid« – ruhig Blut, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein! hämmerte Tischbeins verwegenes Herz – »das Kleid ist griechisch. Aber der Inhalt deutsch. Denn Orestes sind Sie! Ich weiß von Ihrem Leben nur, daß Sie berühmt sind. Aber ein Maler, der Sie auch nur ein einzigesmal sah und darnach nicht weiß – wenn er das liest, – daß da ein verzweifelter Mensch sich in das griechische Meer werfen mußte, – nicht: werfen wollte! – um die Erlösung von allem Irrtum an der Brust der Wahrhaftigkeit zu finden, – dieser Maler ist ein Dummkopf! Sie dürften – verzeihen Sie! – von Griechenland im besten Fall nicht mehr gewußt haben als ein Gelehrter, der jeden Stein in Griechenland kennt. Und trotzdem: nur weil Sie im ungriechischesten Weimar Reue über so manche Schuld, Bitterkeit über so manches, was sich ganz anders fügte, als Sie ersehnten, gelitten, und daher auch alle Schrecken der Unklarheit über die Richtung des Stroms, dem Sie sich anvertrauen sollten, gekostet hatten, – nur deswegen geht Orestes, von den Furien gejagt, so urgriechisch über die Böden des urgriechischesten Griechenlands . . .«
    »n . . . ach Tauris!«
    »Und nur weil Sie zum erstenmal das Unerreichbare liebten«, fuhr Tischbein völlig unbewegt fort, »und sich heroisch jede List abkaufen ließen, mit der Sie es fügsam machen wollten, hat Orestes das Wunder erleben können, daß die Erinnyen wichen und . . .«
    »Ist Ihnen nicht zu kalt?« stand Goethe kurzweg auf.
    Ohneweiters folgte Tischbein. Eine Weile lang, fremd aufgereckt jeder gegen den anderen, standen sie sich Aug in Aug gegenüber. Bis Tischbein, ohne jede Wehleidigkeit, den Fuß hob und ausschritt.
    »Haben Sie Nachricht von Hackerten?« fragte Goethe endlich.
    »Nein.« Kühl warf Tischbein das Haupt empor; sie standen vor dem Palazzo Venezia. »Und nur, weil Sie dies Unerreichbare – das wollte ich noch sagen – zur Anerkennung der Wahrhaftigkeit auch in der Liebe zwang, und das ist: zur Anerkennung der höchsten Forderung in Ihnen wie in ihm, – und das wieder – entschuldigen Sie! – ist: zur Anerkennung der Tugend überhaupt, – nur deswegen ist Iphigenie der Geist geworden, der –

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