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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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für Sie! – das Land der Griechen mit der Seele sucht: die große Lenkerin eines großen Lebens! – Nehmen Sie mir's nicht übel! Ich mußte Ihnen das sagen.«
    Feindlich, ohne ihn anzusehen, reckte Goethe die Hand aus. »Sie gehen heim? Ich bleibe noch.«
    »Gute Nacht denn!«
    »Gut' Nacht!«
    Erst die Peitsche der tobsüchtigen Nächte nach jenem furchtbaren Briefe! Dann das Gespenst dieses Moritz, das mit blutgierigen Händen die Wunde aufriß! Und nun noch – wie dem Leib der Rache starrte er dem Mann nach, der ins Finster zurückschrumpfte – dieser pfeilsicherste aller Schützen! »Die große Lenkerin eines großen Lebens!!«
    Fassungslos brach er in Tränen aus.
    Blöden, geschüttelten Schritts, durch die enge via Marforio kam er in den campo Vaccino hinaus. Weh in allen Knochen wie nach einer mittelalterlichen Pilgerfahrt suchte er nach dem Fleck Staub, der ihn aufnehmen sollte. Sank er zuletzt, nach ewigem Irrgetaumel in ewigem Kreise, auf einen Trümmerhaufen nieder, am Fuß der verbauten Säulen des Concordiatempels. »Was, was, was ist zu tun?«
    Gleichgültige Stille des Grabs rundum.
    »Ich komme nicht los von ihr!« Trostlos lehnte er das Haupt an die unwissende Kälte des Steins. Ließ die Füße scharren im gleichgültigsten Schutt aller Schutte. Wetzte mit den gereizten Nägeln im aufkreischenden Tuch seines Mantels. »Sie weicht einfach nicht! Sie bleibt einfach da! Sie gehört bereits zu mir! Ich bin schon der ihrige!« Nur die lächerliche Nichtkenntnis seines eigensten Ichs bewies es, daß er bereits aufgeatmet, schon gejubelt hatte: der Magnet, er – versagt! Ha! Jetzt erst, da sie ihn mit deutschen Worten zurückwies, nicht nur, wie sonst, die Flamme seines Leibes zurückwies, sondern auch die unmordbare Glut seiner Seele, weil er sie leichtfertig, in der lüsternen Überzeugung, sie sei endlich ersetzbar, verlassen hatte, – jetzt erst zog dieses Weib an wie Magnet! »Ich reise!« Auf sprang er, hinaus in die Wüste und durch die Wüste. »Ja, ich reise! Die Hauptstücke sind gesehen, der erste Durst ist gelöscht . . . . . .«
    »Ich bin und bleibe ein Philister!« Grinsen mußte er. Ein Lichte hatte ihn plötzlich getroffen und abgezogen. Ein Lichtlein, das aus der kleinen, würfelförmigen Hütte am Strunk der Phokassäule heraus in den Schutt schimmerte. Heimlich winkte es durch die Nacht. Die unnahbare Glanzpracht des grenzenlos gewölbten Himmels stieß sein rastloses Herz ohne Erbarmen zurück. Die fahle Weite des Felds, das wie unordentlicher Friedhof mit allen Formen toter Ruine hinabgähnte bis an den Titusbogen am Olivetanerkloster, wehrte mit dem Leichentritt ewig verstorbener Zeiten seine händeringende Bitte um Zuflucht ab. Der Palatin, gegenüber den unregelmäßigen Fronten der Kirchen Santi Martino e Luca, Sant' Adriano, San Lorenzo und Santi Cosma e Damiano schüttete ihm den Berg seiner Trümmer, wie um ihn zu erschlagen, auf den friedlosen Scheitel. »Da bist du nun, Mitgenosse der großen Ratschlüsse des Schicksals«, höhnte in seinem Rücken kannibalisch der Fels, der das Heiligtum Jovis getragen hatte und nun mit erbärmlichem Riff in den unveränderten Himmel emporbleckte, »und plärrst nach dem Schätzchen in Deutschland!« Dieses Lichtlein hingegen, dieser Funke – streichelte! Liebkoste. Erzählte von einem stillen Haus in einem stillen Garten. Von Abenden, die in der guten Hut festgefügter vier Wände . . . .
    Erschrocken fuhr er zusammen. Die Gestalt eines Menschen vor ihm! Der giftgrüne Schleierzipfel um den turbanartigen Haarschmuck verriet die Dirne. »Komm!« lockte heiser aus dem verborgenen Gesicht herab die weltbekannte Stimme. »Laß dich lieben!«
    Keuchend schlich er zum Trümmerhaufen zurück. Heraus, heraus, heraus aus diesem Opium von Netzen! Mit gezielter Hand, nichts mehr als Wille, sich mit gesporntem Verstand von diesen Nebeln freizumachen, griff er den Stein an, worauf er saß: die geborstene Trommel einer Säule. Folgt das Gehirn noch? Es folgte! Leicht zog es den Faden von diesem gesuchten Augenblick zurück zu jenem unwillkürlichen, da eine sanfte Vestalin im weißen Peplos am Schaft dieser Säule gelehnt und ihr enges Römerherz, bar jeder Ahnung vom Nachzittern dieses Herzschlags in so ferne Zukunft, dem Triumph entgegengebebt hatte, der die via sacra aufwärts rauschte. Eisern, während seine Finger immer leiblicher griffen, hielt er das eisern erzeugte Gefühl der Wollust fest, das Gerinne der Zeit zu greifen; das

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