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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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meinen
Vater – seinen Bruder. Wir vermissten ihn sehr, ohne es zu thematisieren. Männer
sprechen nicht so leicht über ihre Gefühle. Aber sie wissen voneinander, dass diese
Gefühle existieren, und respektieren sie.
    Mein lädierter Arm schmerzte. Ich
schaltete die ECM-4 ein und setzte mich in den großen Sessel. Den Gipsarm legte
ich entspannt auf ein Kissen. Während die Espressomaschine vor sich hin stampfte
und dampfte, fiel ich in einen leichten Dämmerschlaf.
    Erst die Klingel ließ mich wieder
aufhorchen. Ich sah auf die Uhr: kurz vor acht. Ein Blick durch den Spion an der
Wohnungstür: Dieses Gesicht kam mir bekannt vor. Siggi trat ein. Ich kontrollierte
den Flur, ob eventuell noch zwei Uniformierte folgten. Heute nicht. Die Tür fiel
ins Schloss.
    Wir sahen uns an, jeder wusste vom
anderen, was passiert war und welche Zwänge ihn geleitet hatten. Es brauchte keine
Worte. Wir umarmten uns, klopften uns auf die Schultern und tranken einen Espresso.
Der Tag der Versöhnung.
    »Wir waren den ganzen Nachmittag
in Tiefurt«, begann Siggi, »Meininger, Milster und ich, dazu das komplette Team
der Spurensicherung. Wir haben die gesamte Hauptstraße auf den Kopf gestellt, die
Spurensicherung ist immer noch vor Ort.«
    »Donnerwetter, und … Ergebnisse?«
    »Allerdings. Alle Mordopfer wohnten
auf einem etwa 250 Meter langen Teilstück der Hauptstraße zwischen dem ›Café am
Schlosspark‹ und der Kirche. Fedor Balow direkt neben dem Café, Daniel Baumert und
seine Eltern gegenüber dem Schloss und Hans Gegenroth, der Lehrer, auf derselben
Seite zwei Häuser weiter. Weiterhin aktenkundig als Zeugen im Fall Balow sind Torsten
Baumert, der Vater des Opfers, Briefträger, den kennst du wohl …?«
    »Ja, flüchtig, trägt bei Tante Gesa
und Onkel Leo die Post aus.«
    »Okay, weiterhin Sabine Grüner,
sie sitzt im Rollstuhl …«
    Ich nickte. »Mein Anwalt hat mich
über alle Zeugen informiert, er hatte Akteneinsicht.«
    »Gut, Sabine Grüner wohnt direkt
an der Kreuzung Robert-Blum-Straße, schräg gegenüber der ›Alten Remise‹ …«
    Ich sah ihn fragend an.
    »Ein Restaurant. Später wurde der
Bruder befragt, Rico Grüner, er hat bis vor einigen Jahren auch dort gewohnt, ist
nicht viel herausgekommen, kennst du den?«
    »Na ja, kennen wäre zu viel
gesagt«, antwortete ich zögernd, »ich habe mich mal mit ihm gestritten, vor ein
paar Tagen, hier unten in der Brasserie.«
    Siggi hob den Kopf. Sein kahler
Schädel war braun gebrannt, er hatte den Urlaub offensichtlich genutzt. »Gut. Ich
kenne den Vorfall, Hanna hat mir davon erzählt.«
    »Und warum fragst du mich dann so
blöd?«
    »Ich muss wissen, ob ich dir vertrauen
kann.«
    »Natürlich kannst du das!«
    »In letzter Zeit hast du dich manchmal
recht seltsam verhalten …«
    »Du hast ja recht«, brummte ich.
    »Also gut, bisher hat sich niemand
über dein Verhalten in der Brasserie beschwert, der Polizei liegt offiziell nichts
vor, ich habe das geprüft.«
    »Zum Glück konnte Benno die drei
Jungs beruhigen.«
    »Gut, dass du ein paar Freunde mit
kühlem Kopf hast.«
    »Das stimmt.«
    »Inzwischen haben wir alle Anwohner
erneut befragt, die Aussagen werden noch ausgewertet. Es steht jedenfalls fest,
dass sich alle Mordopfer kannten. Fedor Balow war über eine Jugendgruppe der Kirchengemeinde
mit Sabine Grüner und Daniel Baumert bekannt. Er war offensichtlich ein Einzelgänger,
Halbrusse, sein Vater war Sowjetoffizier, seine Mutter Deutsche, stammte aus Ostberlin.
Balow wohnte seit etwa zehn Jahren in Tiefurt. Eine redselige Rentnerin aus dem
Nebenhaus meinte, die Sabine sei nett mit ihm umgegangen, so nach dem Motto: Zwei
Ausgegrenzte helfen sich gegenseitig. Hans Gegenroth war der Lehrer von Sabine,
Rico und Daniel an der Waldschlösschenschule. Seine Frau und er sind im Gemeindevorstand,
also am Dorfleben aktiv beteiligt. Der Vater von Daniel Baumert, Torsten Baumert,
kennt als Briefträger natürlich fast alle in Tiefurt, auch im östlichen Teil der
Weimarer Kernstadt, Tiefurter Allee bei deinem Onkel, Webichtallee und so weiter.
Er ist so eine Art …«
    »Dampfplauderer.«
    »Genau. Besser gesagt, er war ein Dampfplauderer. Die redselige Rentnerin wusste zu berichten, dass er seit dem
Tod seines Sohnes kaum mehr spricht.«
    Nur allzu verständlich.
    Siggi hatte ein neues Notizbuch,
mit einem schwarzen Einband und einem Spanngummi, das das Büchlein zusammenhielt.
Er zog das Gummi zur Seite. »Die Frau des Lehrers, Sonja Gegenroth, konnten wir
noch

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