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Goetheruh

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Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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Herderhaus. Im selben Moment biss er sich auf die Lippen. Es gab gar kein offizielles Herderhaus, nur das Herdermuseum im Kirms-Krackow-Haus und ein altes, zerfallenes ehemaliges Herder-Wohnhaus. Doch sie schien den Fehler nicht bemerkt zu haben.
    Er musste seine gesamte Überzeugungskraft einsetzen. Er appellierte an ihre Lehrerseele, er habe etwas Interessantes entdeckt, etwas Historisches, und wo sie doch zufällig gerade hier sei, wolle er ihr das unbedingt zeigen, es dauere auch gar nicht lange.
    Sie zögerte nach wie vor. Doch er war geschickt. Und er kannte sie gut. Er wisse eigentlich gar nicht genau, ob das, was er entdeckt hatte, wirklich von so großer historischer Bedeutsamkeit sei, wie er annehme, und er brauche ihre Hilfe, das herauszufinden. Seine gespielte Unsicherheit schien zu wirken. Sie murmelte etwas wie ›Also gut, aber höchstens eine halbe Stunde.‹
    Er strahlte. Dann folgte sie ihm.

     
    *

     
    Benno bog von der Jenaer Straße rechts ab in Richtung Lindenberg. Kurze Zeit später hielten wir vor dem Haus Am Sportplatz 17. Felix öffnete und bat uns herein. Es war ein älteres Haus aus DDR-Zeiten mit den damals üblichen hellgrünen Kacheln und der zeitgemäßen Einrichtung. Es wirkte, als sei die Zeit stehen geblieben. Anna war nirgends zu entdecken. Im Flur standen jede Menge Schuhe, wir fielen fast darüber. Darunter entdeckte ich auch ein paar moderne Turnschuhe. Sie passten überhaupt nicht in diese Umgebung.
    »Sind das Jens’ Turnschuhe?«, fragte ich.
    »Ja, die gehören ihm«, antwortete Felix leise.
    »Er ist ja fast so groß wie ich«, stellte ich fest, »sieht aus wie Schuhgröße 46?«
    »Nein, nein, er hat Größe 44 …«
    Ich suchte Bennos Blick. Er schien die Tragweite dieser Bemerkung nicht zu verstehen.
    »Kommt ins Wohnzimmer und setzt euch doch bitte!«
    Er brachte Kaffee und schenkte Apfelsaft ein.
    »Über was wolltet ihr denn mit mir sprechen?«
    »Ja, Felix, es geht um deinen Sohn«, begann Benno. Ich trat ihm unter dem Tisch gegen den Fuß. Er sah mich an wie ein beleidigter Dackel.
    Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Ich würde die Gesprächsführung übernehmen müssen, um das Ganze nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. »Hast du etwas Neues von Jens gehört?«
    Felix machte ein trauriges Gesicht. »Nein, er ist immer noch verschwunden.«
    »Das tut mir leid. Ich habe mit seiner Ärztin gesprochen, sie hat mir alles über seine Krankheit erzählt.«
    »Du weißt Bescheid?«
    »Ja …«
    Er schien fast ein wenig erleichtert, nun musste er sich nicht mehr verstellen. Gleichzeitig schämte er sich. Tränen liefen seine Wangen herab.
    »Entschuldige, Felix, es tut uns leid, dass wir so in euer Privatleben eindringen …«
    »Ist schon gut«, presste er hervor.
    »Wir müssen mehr über Jens erfahren, besonders über seine Jugendzeit.« Das war meine neue Taktik, ich wollte mich auf die Informationen beschränken, die für die Suche nach Jens nützlich sein konnten. Ganz nebenbei bekritzelte ich einen kleinen Zettel: ›Der Täter hat Schuhgröße 46!‹ Dann schob ich ihn schnell zu Benno rüber.
    »Wieso aus seiner Jugendzeit, was … warum das?«, fragte Felix sichtlich verwirrt.
    »Jens ist krank und wir brauchen mehr Details zu seinem Krankheitsbild, insbesondere zum Ausbruch der Krankheit – das kann uns helfen, ihn zu finden.«
    »Na, gut, das verstehe ich zwar nicht ganz, aber wenn es hilft, Jens zu finden ist mir alles recht.«
    »Sehr gut!«, ermutigte ich ihn.
    Benno sah mich entgeistert an. Er hatte den Zettel gelesen.
    »Ja, sehr gut, Felix«, schloss er sich geistesgegenwärtig an.
    »Was tat Jens denn nach der Wende?«, fragte ich nun konkreter.
    »Nach der Wende? Wieso …? Nichts Besonderes, er ging zur Schule und spielte Handball, wie zuvor auch.«
    »Hatte er Freunde?«
    »Ja, schon, ein paar wenige Freunde hatte er. Einer war Thomas Reim von nebenan, aber der …«
    »Ja, das haben wir gehört, er ist tot.«
    »Woher wisst ihr denn das ?«
    Ich zögerte.
    »Na ja«, schaltete sich Benno ein, »es stand damals in der Zeitung und … es war so dramatisch, das bleibt im Gedächtnis haften.«
    »Und wie war das Verhältnis zu seinem Großvater?«, fragte ich behutsam.
    »Sein Großvater? Ach, mein Vater starb schon 1985 an einer schweren Herzkrankheit.«
    »Und sein anderer Großvater?«
    »Annas Vater?« Er sah uns ängstlich an.
    »Wirklich, Felix, wir müssen das wissen! Alles kann jetzt hilfreich sein, Jens zu finden.«
    Er wiegte seinen Kopf

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