Goetheruh
durchaus, und – falls ich ihm irgendwann gegenüberstehen sollte – dann war sie extrem wichtig. Aber sollte ich ihn überhaupt jemals zu Gesicht bekommen?
Kurz nach neun am nächsten Morgen traten Hanna und ich in Bennos Sitzungsraum ein. Die anderen saßen bereits alle am Konferenztisch. Neugierige Blicke fielen auf Hanna. Benno ergriff das Wort: »Ich möchte Ihnen Hanna Büchler vorstellen. Sie ist Hendriks Lebenspartnerin.« Er sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, die mir das Blut in den Kopf schießen ließ. Hanna lächelte mir zu.
»Sie hat uns bereits gestern unterstützt, deswegen freue ich mich sehr über ihre Anwesenheit!«
Der OB und Göschke schienen bereits informiert zu sein, sodass diese kurze Einführung genügte.
Benno versicherte sich mit einem Blick zum OB, dass er fortfahren könne. »Gut, »dann möchte ich zunächst das Thema Hans Blume abhandeln, wer gibt einen abschließenden Bericht?«
»Unser Psychologe übernimmt das«, antwortete Kriminalrat Göschke.
Der Psychologe berichtete in knappen Worten von dem Mühen seiner Vernehmung Blumes und kam schließlich zu der Einschätzung, dass dieser sehr wahrscheinlich an den drei letzten Einbrüchen nicht beteiligt gewesen war. Möglicherweise wusste Blume überhaupt nichts von den letzten Raubzügen, sondern hatte sein Wissen allein aus amtsinternen Quellen bezogen, solange das noch für ihn möglich gewesen war. Ganz sicher hingegen war er sich in seiner Einschätzung bezüglich Blumes Persönlichkeit: egozentrisch, narzisstisch, selbstdarstellerisch – das waren die wichtigsten Charaktermerkmale. Sandro Scherer würde das auszumalen wissen.
»Gut, dann denke ich, wir können die Akte Hans Blume in dieser Runde schließen, den Rest erledigt die Staatsanwaltschaft«, sagte Benno.
»Wer bearbeitet den Fall?«, wollte Peter Gärtner wissen. »Staatsanwalt Dr. Stöckel«, antwortete Göschke.
Der OB wirkte zufrieden. Wie ich später erfuhr, war Stöckel als harter Hund bekannt.
Benno blätterte in seinen Papieren. »Dann möchte ich nun bitte den aktuellen Stand der Ermittlungen hören. Siggi?«
Siggi erhob sich. Er trug heute ausnahmsweise ein Jackett, darunter ein weißes T-Shirt. »Wie bereits gehört, ist Blumes Geständnis mehr als unklar, zumindest was die drei letzten Einbrüche betrifft. Hingegen deuten alle Zeichen auf eine klare Täterschaft von Jens Gensing hin.«
» Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube !«, schnarrte das Fagott.
»Ja, das verstehe ich.« Siggi ließ sich heute nicht beeindrucken.
»Doch ein Ausschlusskriterium, nämlich die falsche Schuhgröße, hat sich inzwischen in Luft aufgelöst, da er die Schuhe seines Zimmernachbarn benutzt – Größe 46. Ob nun absichtlich oder nicht, sei dahingestellt. Seit der Veröffentlichung des Falles ist er verschwunden, er ist als Fahrer des gesuchten roten Golfs in der Frankfurter Innenstadt erkannt worden, und zwar genau an dem Tag, als dort das Cornelia-Bild gestohlen wurde. Er hatte Kontakt zu dem verstorbenen Thomas Reim, der Zugang zu den Schlüsseln des Nebengebäudes hatte. Und nicht zu vergessen, seine individuellen Merkmale: Er entspricht dem Altersraster, hat eindeutige Erfahrung mit Metallarbeiten, hatte Zugang zu OP-Handschuhen, kann Klavierspielen und kennt sich hervorragend mit Goethe aus. Zudem ist er geistig verwirrt und trägt die Initialen JWG. Zehn Gründe, die für Jens Werner Gensing als Täter sprechen!«
Das klang überzeugend.
»Und es gibt einen weiteren Grund, der uns im Übrigen auch zu schnellem Handeln zwingt!«
Der OB zog die Augenbrauen hoch.
Siggi wandte sich mir zu: »Hendrik?«
Ich blickte in die Runde: »Wir haben leider Grund zu der Annahme, dass Jens Gensing seine Klavierlehrerin Cindy Valentine entführt hat!«
Augenblicklich entstand ein Riesengemurmel. Weder Benno noch der OB oder Onkel Leo hatten tatsächlich damit gerechnet, dass es zu Gewalttaten kommen würde. Ich erklärte in Ruhe die Sache mit der Erlkönig-E-Mail und wie Hanna auf diesen Zusammenhang gekommen war.
Der OB erhob sich. »Frau Büchler, Herr Wilmut, Sie führen uns da an eine Denkweise heran, mit der sicher so mancher hier im Raum seine Schwierigkeiten hat. Das klingt zwar alles auf eine Art logisch, doch mir fehlt der zwingende Beweis, ein Fingerabdruck, ein sonstiges Indiz. Sind Sie sich bewusst, dass Sie uns auf eine schwierige Reise mitnehmen?«
»Ja, Herr Oberbürgermeister, dessen sind wir uns bewusst. Aber es geht
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