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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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uns jetzt wie Faust und seinem Freund Wagner. Beide waren Teil des gleichen Wissensdiskurses. Doch Wagner kam nicht vorwärts, weil er sich immer nur innerhalb der traditionellen Denkweise bewegte. Faust hingegen versuchte diese alten Ketten zu sprengen. Auch wir müssen das tun, uns bleibt keine andere Wahl. Cindy ist seit vier Tagen verschwunden und die UNESCO-Kommission kommt in Kürze!«
    »Doch soweit ich weiß, ist Faust mit diesem Ausbruch aus der traditionellen Betrachtungsweise gescheitert«, warf Peter Gärtner ein.
    »Das stimmt. Weil er sich der Magie verschrieben hat, doch das haben wir sicher nicht vor, wir sind praktizierende Wissenschaftler, keine Magier. Dennoch dürfen wir eines nicht vergessen: Es irrt der Mensch, solang er strebt! Das heißt: Ein Restrisiko bleibt immer!«
      Auf einmal wurde es ganz still im Raum. Es war fast wie eine Gedenkminute.
    Als Erster brach der Psychologe das Schweigen: »Gibt es eigentlich etwas Neues von Gensings Jugend und seinem Großvater?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete Siggi, »Jens hatte ein sehr enges Verhältnis zu seinem Großvater, wie hieß der noch …?«
    »Werner Mühlberger«, antwortete Hermann.
    Der Psychologe schoss aus seinem Stuhl hoch: »Wie bitte?«
    »Werner Clemens Mühlberger«, wiederholte Hermann.
    »Werner Clemens Mühlberger, geboren am 1.3.1930 in Bad Berka?«
    Hermann blätterte in seinen Unterlagen. »Stimmt genau!«, antwortete er verblüfft.
    Der Psychologe setzte sich wieder, er war leichenblass. Alle warteten. Benno wollte etwas sagen, doch Onkel Leo winkte ab. Der Psychologe wirkte sehr betroffen, er musste sich erst wieder fangen.
    »Ich kenne Mühlberger«, presste er hervor, »ich … wollte eigentlich gar nicht mehr daran denken, doch … jetzt muss ich wohl.«
    Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
    »Ich äh … ich musste ihn mal verhören!«
    »Bei der Stasi?«, fragte ich.
    »Ja!«
    »Ach, du Schande!«, entfuhr es mir.
      »Er wurde beschuldigt, mit entarteter Kunst gehandelt zu haben. Das war aber nur ein … Vorwand, er war einfach unbequem, ein Querulant, ein Dickkopf – aber kein Verbrecher!«
    »Und was hat das jetzt mit unserem Fall zu tun?«, erkundigte sich Martin Wenzel. Auch wenn seine Art zu fragen etwas unsensibel war, so schien die Frage doch berechtigt.
    »Er hat während der Verhöre mehrmals behauptet, bei Bauarbeiten in der Nähe der Ilmparkhöhlen einen Schlüssel gefunden zu haben, einen Schlüssel, der alles verändern könne, sozusagen den Schlüssel zu seinem Leben . Genau das waren seine Worte – immer und immer wieder.« Der Psychologe hob entschuldigend die Hände. »Und ich habe damals gedacht, dass er sich nur wichtigmachen will!«
    »Was soll das für ein Schlüssel gewesen sein?«, fragte Onkel Leo.
    Der Psychologe hob den Kopf. »Er behauptete, es sei ein Schlüssel zum Goethehaus!«
    »Was? Und das fällt Ihnen erst jetzt ein?«, rief ich.
    »Tut mir leid«, antwortete der Psychologe leise, »ich hatte diese Zeit aus meinem Gedächtnis gestrichen, ich wollte nicht mehr darüber nachdenken, das war abgehakt, vergessen. Aber jetzt muss ich alles neu aufrollen, und das … das ist nicht leicht.« Er schluckte. »Ich tue das nur für euch!« Sein Blick war auf den Tisch gerichtet, während er eine weit ausholende Geste machte.
    Keiner sagte etwas.
    »Wir machen zehn Minuten Pause«, sagte Benno und stand auf. Dann drehte er sich wieder um und fragte den Psychologen: »Sagen Sie, Blume kommt doch nicht zufällig auf dieselbe Idee wie Werner Mühlberger. Ich meine, … woher wusste er von diesem ominösen Schlüssel?«
    Der Psychologe blickte immer noch starr auf die Tischplatte. »Blume war gleichzeitig mit mir bei der Stasi. Er war ein hoher Offizier und hatte Zugang zu allen Akten!«

     
    Jemand öffnete die Fenster, die frische Luft tat gut. Der Psychologe blieb auf seinem Platz sitzen, den Kopf in seine Hände gestützt. Wir ließen ihn in Ruhe. Im Vorraum der Herrentoilette traf ich Siggi »Was hältst du denn von dieser Schlüsselsache?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht, Siggi, ein 200 Jahre alter Schlüssel erscheint mir fast zu literarisch, zu fantastisch. Aber möglich wär’s dennoch. Dann hätte Jens den Schlüssel von seinem Großvater bekommen, sozusagen als Vermächtnis!«
    »Als Vermächtnis?«
    »Ja, Werner Mühlberger war ein ungewöhnlicher Mensch, wie wir mehrfach gehört haben. Vielleicht hat er den Schlüssel tatsächlich als eine Art

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