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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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ergeben, möchte ich umgehend darüber informiert werden. Das Teamwork zwischen uns spielt eine entscheidende Rolle, nur so kommen wir zum Erfolg. Und noch eins: Bitte keinerlei Informationen an die Öffentlichkeit! Zunächst muss alles geheim gehalten werden. Zum einen wollen wir die Bevölkerung nicht beunruhigen und zum anderen dem Täter keinerlei Hinweise geben. Ansonsten viel Glück!«
    Ich fühlte mich ein bisschen wie bei der Motivationsansprache unseres Trainers vor dem Tennismatch. Nur dass unser Gegner unsichtbar war.

     
    *

     
    Er liebte das Goethehaus. Stundenlang konnte er in einem der Cafés am Frauenplan verweilen und Goethes Wohnhaus anstarren. Im Sommer saß er immer unter einem Baum, denn in der Nähe von Bäumen fühlte er sich sehr wohl. ›Du und deine geliebten Bäume‹, pflegte sein Vater oft zu sagen. Aber was wusste der schon von ihm?
    Er hatte sich auch oft im Innern des Gebäudes aufgehalten, es war wie eine zweite Heimat für ihn geworden. Besonders die Treppen imponierten ihm sehr, die große Wendeltreppe, die vielen kleinen Stiegen und natürlich die breite italienische Eingangstreppe. Immer wenn er den Gelben Salon von der italienischen Treppe kommend betrat, erwiderte er innerlich den ›Salve‹-Gruß auf der Türschwelle. Der Gelbe Salon faszinierte ihn ganz besonders, der zentrale Raum des Hauses, der Mittelpunkt des dichterischen Universums. Er mochte Goethes Farbenlehre, nach der jeder Raum in einer eigenen, Charakter gebenden Farbe angelegt war. Und er war überzeugt, dass Goethe die Farben mit Bedacht ausgewählt hatte. Wie eben jenes Gelb, eine sanfte, muntere Farbe, nahe am Licht und damit passend zu diesem Raum, in dem Gäste empfangen und bewirtet wurden. Gern wäre er selbst einmal Goethes Gast gewesen.
    Auch heute saß er wieder im Straßencafé. Die große Kastanie mit ihrer mächtigen Krone spendete ihm Schatten. Es wurde ihm nicht langweilig, mehrere Stunden hier zu sitzen, im Gegenteil, er genoss es. Denn er besaß die Fähigkeit, den widerwärtigen Fluss der Alltäglichkeit von sich abgleiten zu lassen, so als befände er sich auf einer Insel der gedanklichen Erhabenheit. Auf dieser Insel entwarf er einen Plan. Seinen Plan. Und es war ein guter Plan, der ihn mit Hoffnung und Spannung erfüllte.
    Obwohl er sich hauptsächlich auf das Haus konzentrierte, bemerkte er eine Gruppe von Männern, die sich irgendwie auffällig verhielten. Sie bewegten sich nicht wie Touristen, sondern eher wie Geschäftsleute. Und sie betrachteten das Haus Goethes nicht interessiert, sondern vielmehr prüfend. Den einen erkannte er zweifelsfrei, sein Bild hatte er mehrmals in der Zeitung gesehen: Stadtrat Kessler, Kulturdezernent der Stadt Weimar. In einem der anderen glaubte er den Leiter des Goethemuseums zu erkennen, grauhaarig, im feinen Anzug. Er hatte bereits einige Male mit ihm gesprochen, bei Ausstellungen, Lesungen und ähnlichen Veranstaltungen. Aber heute sah er ihn nur von hinten. Die beiden anderen kannte er nicht. Ein glatzköpfiger, sportlicher Typ und ein hochgewachsener, schlaksiger Mann um die 40. Er wusste nicht, was da vor sich ging, aber er hatte zunehmend das Gefühl, sein Plan könne in Gefahr geraten.
    Nachdem die vier Männer wieder aus dem Goethehaus herausgekommen und im ›Weißen Schwan‹ verschwunden waren, zahlte er und ging. Er lief zu Fuß. Und er nahm den üblichen, beschwerlichen Weg zu seinem Zimmer. Als er aus dem Keller kam, ging er an der Küche vorbei. Eigentlich hätte er etwas essen müssen, doch wie so oft hatte er keinen Hunger und deshalb winkte er einfach nur dem Mädchen zu, das immer noch in der Küche arbeitete. Er mochte sie nicht, aber er brauchte sie. Dann stellte er seine Schuhe vor die Zimmertür, so wie es von ihm erwartet wurde, schloss ab und legte sich aufs Bett, um nachzudenken. Sein Nachbar hörte wie so oft laute Musik. Es war kaum zu ertragen. Er würde sich irgendwann rächen, das wusste er. Und er würde herausbekommen, wer die beiden anderen Männer waren.

     
    *

     
    Diesmal fand ich einen Parkplatz direkt vor dem Haus, auch solche kleinen Glücksmomente muss man genießen. Ich öffnete die Wohnungstür. Ein heißer, muffiger Geruch schlug mir entgegen. Ich hielt die Luft an, rannte durchs Wohnzimmer und öffnete das große Dachfenster. Obwohl es draußen heiß war, kam mir die hereinströmende Luft vor wie ein Lebenselixier, deshalb verweilte ich einige Minuten am Fenster und genoss den Blick über die grünen Bäume

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