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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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aufgetaucht sei, er stand einfach vor der Haustür. Just an dem Tag, an dem wir uns im Café am Rollplatz getroffen hatten. Ich rechnete kurz nach. Es musste also am vergangenen Donnerstag gewesen sein, heute hatten wir bereits Dienstag. Es war ihm zwar peinlich, das zuzugeben, aber er hatte schlicht vergessen, mir rechtzeitig Bescheid zu geben. Einerseits war ich darüber verärgert, andererseits froh, ein Problem weniger zu haben. Ich brach das Gespräch ab, um nicht noch mehr ärgerliche Blicke zu provozieren.
    Auf dem Weg ins Institut rief ich Siggi an, um ihn über Gensings Auto aufzuklären, und erreichte kurz vor zehn abgehetzt den Seminarraum.
    Zum Glück war heute Gruppenarbeit angesagt. So verbrachte ich die erste Viertelstunde mit der Einleitung und Erklärung, Gruppeneinteilung und Raumzuordnung. Dann hatte ich eine Stunde Zeit bis zur Präsentation der Ergebnisse und deren Diskussion im Plenum. Ich setzte mich in eine Sitzgruppe auf dem Flur vor den Seminarräumen, öffnete meinen Laptop und begann, den Anschein von wissenschaftlicher Arbeit erweckend, in die detaillierte Analyse der gestohlenen Gegenstände einzusteigen. Um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, legte ich zuerst eine Tabelle mit allen verfügbaren Daten an, die ich bereits auf dem Laptop gesammelt hatte. Martin Wenzels handschriftliche Ur-Tabelle diente dabei als Grundlage.

     
    1.
    Bucht von Palermo und Monte Pellegrino
    Kleines Esszimmer
    Christoph Heinrich Kniep, 1788
    Federzeichnung, aquarelliert
    Wie ich hereingekommen, ich kann’s nicht sagen

     
    2.
    Goethes Gartenhaus von der Rückseite
    Christianes Wohnzimmer
    Goethe, 1779/80,
    Graphit, Feder mit Tusche und Blister,
    blaue Wasserfarbe
    Sag ich’s euch, geliebte Bäume

     
    3.
    Fußschemel vor Sterbestuhl
    Goethes Schlafzimmer
    Tabonret, 1828
    Füße aus bronziertem Messingblech
    mit Bacchusköpfen, Seiten mit grünem
    Leder, bezogen mit Handstickerei
    (stilisierter antiker Kopf), Geschenk
    der Pianistin Maria Szymanowska
    Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis;
    Das Unzulängliche hier wird’s Ereignis;
    Das Unbeschreibliche hier ist’s getan.

     
    4.
    Porträt von Cornelia
    Dichterzimmer, Frankfurt a. M.
    Goethe, 1771/73, handgezeichnet
    schwarze Kreide auf grauem Papier

     
    Kaum hatte ich die Tabelle vervollständigt, wurde mir der Vorteil dieser Methode klar. Ich entdeckte sofort etwas, das uns allen schon am Samstag Abend hätte auffallen müssen: Zu dem Frankfurter Diebstahl existierte kein lyrischer Kommentar. Keine E-Mail an Benno. Warum? War es doch ein anderer Täter? Oder hatten wir etwas übersehen?
    Nein, Benno hätte bestimmt eine weitere E-Mail bemerkt.
    Meine Gedanken rotierten. Kurz entschlossen nahm ich mein Handy und rief Benno an. Seine Sekretärin war zunächst zögerlich, doch als ich ihr mitteilte, dass es sich um den Museumsdiebstahl handelte, beeilte sie sich, Benno aus einer Sitzung zu holen.
    »Hallo, Hendrik, gibt’s was Neues?« Er klang abgehetzt.
    »Nicht direkt«, antwortete ich, »aber mir ist gerade aufgefallen, dass nach dem Frankfurter Diebstahl keine E-Mail mit irgendwelchen lyrischen Ergüssen an dich geschickt wurde. Also, entweder haben wir etwas übersehen oder es handelt sich wirklich um zwei unabhängige Fälle.«
    Benno sagte nichts, nur ein leises Stöhnen war zu hören. Dann fragte er mit unterdrückter Stimme: »Wann genau war der Diebstahl in Frankfurt?«
    »Letzte Woche Dienstag.«
    »Ach, du Schande!«
    »Was ist los, Benno?«, rief ich besorgt.
    »Mir geht’s gut, nur ähm … mir ist gerade eingefallen, dass Sophie am Tag danach, also am Mittwoch einen ganz seltsamen Zettel im Briefkasten gefunden hat, dem wir leider keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Das war wohl ein Fehler.«
    Ich hielt die Luft an.
    »Ich konnte ja nicht ahnen, dass der Kerl plötzlich seine Taktik ändert und einen Zettel bei mir einwirft«, fuhr Benno fort, »so ein verdammter Mist!«
    »Jetzt mach dir doch keine Vorwürfe, erzähl mir lieber, was auf dem Zettel stand!«
    »Leider weiß ich nicht mehr alles, nur noch ein paar Bruchstücke.«
    »Benno, bitte!«
    »Das Einzige, an das ich mich erinnere ist Schwester und Silberschauer – tut mir leid, das ist alles.«

     
    Ich musste nicht lange überlegen:

     
    Schwester von dem ersten Licht,
    Bild der Zärtlichkeit in Trauer!
    Nebel schwimmt mit Silberschauer
    Um dein reizendes Gesicht;

     
    »Ja genau, genau, das war es, du bist genial, woher weißt du das?«
    »Dazu

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