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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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muss man nicht besonders genial sein, das ist ein bekanntes Gedicht von Goethe: ›An Luna‹. Mit dem reizenden Gesicht ist wahrscheinlich das Porträt gemeint …«
    »Oh Mann! Das heißt, du glaubst, dass in Weimar und in Frankfurt derselbe Täter am Werk war?«
    »Davon gehe ich aus!«, erwiderte ich.

     
    *

     
    Er übte gerade ein Klavierstück von Beethoven. Er liebte das Klavierspiel, es trug ihn fort aus der unerträglichen Gegenwart. Schubert und Beethoven mochte er am liebsten, besonders die Stücke, bei denen der Komponist einen Text von Goethe vertont hatte. Nach langem Nachdenken hatte er den einzigen Schwachpunkt Goethes entdeckt. Der Dichter war wortgeprägt statt melodiegeprägt. Während für die meisten Menschen die Melodie wichtiger ist als das Libretto, war es für Goethe genau umgekehrt.
    Während der Klavierstunden konnte er alles vergessen, konnte sich in jeder einzelnen Note verlieren. Die Beethoven-Musik hatte etwas Revolutionäres, etwas, das an den Sturm auf die Bastille erinnerte, weg von der Barockmusik, weg von der bachplätschernden Gleichmäßigkeit, dem andauernden simultanen Einsatz aller Instrumente. Er bewunderte Beethovens feine, leise Soli und die anschließenden mächtigen Tutti.
    Plötzlich, kurz vor dem Ende des Klavierstücks, machte er einen Fehler, den ersten überhaupt an diesem Tag. Er spielte ein F statt ein Fis. Er hasste Fehler. Überhaupt war er heute nicht voll konzentriert. Wahrscheinlich lag es daran, dass er inzwischen wusste, wer einer der beiden unbekannten Männer war, die er vor dem Goethehaus beobachtet hatte. Er brach die Klavierstunde ab und machte sich auf den Heimweg.
    Siegfried Dorst, Kriminalhauptkommissar. Es war nicht schwer gewesen, seinen Namen herauszufinden. Er hatte am nächsten Tag eine der Angestellten im Goethemuseum befragt, die Beschreibung ›sportlicher Typ mit Glatze‹ war ziemlich eindeutig. Sie meinte, das müsse jemand von der Sicherheitsfirma aus Leipzig gewesen sein, so prüfend wie der sich das ganze Gebäude angesehen hatte. Ihm dagegen war sofort bewusst, dass es ein Polizist war. Sie begannen nun ernsthaft, den Dieb zu suchen. Er hätte viel früher damit gerechnet. Später hatte er im Polizeipräsidium angerufen und sich nach einem Beamten erkundigt, der ja so nett gewesen sei, er habe nur leider den Namen vergessen, ein drahtiger Mann mit Glatze sei es gewesen. ›Ach ja, dann weiß ich, wen Sie meinen‹, hatte die Telefonistin geantwortet, ›das ist Kriminalhauptkommissar Dorst, ich verbinde Sie‹. Er hatte sofort aufgelegt. Nun wusste er, wer sein Gegner war, das war wichtig. Er musste sich auf ihn einstimmen, seine Eigenarten und sein Umfeld kennenlernen. Er fand ein paar Zeitungsartikel, in denen über ihn berichtet wurde. Siegfried Dorst. Ob seine Freunde ihn wohl Siggi nannten?
    Über den zweiten Mann wusste er bislang nichts, aber das schien im Moment unwichtig, er wollte sich auf denjenigen konzentrieren, der ihm am gefährlichsten werden konnte. Er schlug das Telefonbuch auf und suchte nach Dorst. Im Grunde hatte er gar nicht erwartet, ihn dort zu finden, er hatte angenommen, ein Kriminalhauptkommissar habe eine Geheimnummer. Doch er stieß sofort auf seinen Eintrag. ›Dorst, S., Windmühlenstraße 115‹. Er machte sich auf den Weg.

     
    *

     
    Die Sitzgruppe vor den Seminarräumen füllte sich immer mehr. Ich nahm es nicht wahr. Ich war zu sehr vertieft in meine Liste. Eine Zeichnung von Goethes Italienreise, ein selbst gemaltes Bild seines Gartenhauses, sein Fußschemel aus dem Sterbezimmer und ein handschriftliches Dokument mit einer Zeichnung seiner Schwester. Wo waren die Zusammenhänge? Was hatte der Dieb sich dabei gedacht? Was hatte er mit den Gegenständen vor? Definitiv kannte der Täter sich sehr gut mit Goethe aus. Die Zeichnung von Christoph Heinrich Kniep stammte von 1788 aus der Endphase von Goethes erster Italienreise, das dazugehörige Zitat war den ›Römischen Elegien‹ entnommen, die 1788–90 entstanden waren, also im gleichen Zeitraum. Natürlich wollte er uns mit dem Zitat, Wie ich hereingekommen, ich kann’s nicht sagen , nur verspotten, aber die Zusammenhänge demonstrierten sein Wissen. Die Kombination des Bildes von Goethes Gartenhaus mit Sag ich’s euch geliebte Bäume war auch klar, sie wies auf Goethes Liebe zur Natur hin und auch hier stimmten die Entstehungsdaten überein. War hier ein Unterschied zu erkennen? Zumindest wurde es persönlicher, da das zweite Bild von

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