Goetheruh
trotzdem klar herauskommt.«
»Unser Täter mag Goethes Lyrik offensichtlich auch«, überlegte Benno. »Vielleicht will er uns ebenfalls eine bestimmte Aussage vermitteln, wir erkennen sie nur nicht!«
Die gesamte Zeit über hatte ich genau das gleiche Gefühl, diesen Eindruck aber bisher nicht in Worte fassen können. »Du hast recht, Benno, du hast verdammt recht, Mann.«
»Prost!«
»Prost, Hendrik!«
»Aber was ist es – was will er uns mitteilen?«, sinnierte ich.
Mitten in unsere Überlegungen hinein klingelte es. »Wer stört denn jetzt unseren Männerabend?«, brummte Benno verärgert, erhob sich aber dennoch von der Couch. Es waren Sophie und Hanna. Beide waren bester Laune und anscheinend recht vertraut miteinander, worüber ich offen gestanden ziemlich überrascht war.
Benno schien es nicht anders zu gehen. »Mit dir hatte ich eigentlich noch gar nicht gerechnet«, stotterte er mit einem ungläubigen Blick auf die Uhr, »was machst du denn schon hier?«
»Ihr kennt euch?«, platzte ich dazwischen. »Wollt ihr was trinken?«
»Immer der Reihe nach«, entgegnete Sophie, »das sind drei Fragen auf einmal. Wir kennen uns beruflich, Hanna geht als Pharmareferentin in unserem Krankenhaus ein und aus. Freundinnen sind wir allerdings erst seit etwa drei Monaten, nach einer Fortbildungsveranstaltung in Hamburg. Sie hatte heute Abend einen späten Termin bei meinem Chef und da ausnahmsweise nicht viel los war, konnte ich ihn überreden, mir freizugeben. Ich habe zufällig erwähnt, dass Hendrik heute bei uns ist, und da wollte Hanna unbedingt mitkommen!« Sie zwinkerte Hanna zu und kicherte in sich hinein. »Und um die dritte Frage zu beantworten: Ein Sekt wäre jetzt nicht schlecht!«, fügte sie hinzu.
Hanna lächelte mir zu. Ich freute mich sehr, sie zu sehen, gab ihr einen Wangenkuss und dirigierte sie zu mir auf die Couch.
Benno und Sophie gesellten sich mit einer Flasche Rotkäppchen zu uns.
»Wir wollten euch natürlich nicht unterbrechen«, erklärte Hanna, nachdem wir angestoßen hatten, »bitte redet doch weiter.«
»Wir sprachen gerade über Goethe«, berichtete ich.
»Wie langweilig! Habt ihr kein anderes Thema mehr?«
»Über Goethe und … äh … seine Liebschaften!«, korrigierte ich schnell. Beide Frauen waren sofort ganz Ohr. Benno setzte seinen Typisch-Frau-Blick auf.
»Der hatte doch ganz schön viele Liebschaften?«, erkundigte sich Sophie.
Ich lächelte. »Ja, allerdings.«
»Waren nicht auch einige darunter, die sich in seine literarischen Werke eingemischt haben?«
»So einfach kann man das nicht sagen.« Ich nippte an meinem Sekt. »Zunächst sammelte er eine stattliche Menge von Beziehungen. Das begann mit Käthchen Schönkopf in Leipzig, führte ihn über Friederike Brion in Sesenheim und Karoline Landgräfin zu Darmstadt hin bis zu Charlotte Buff, der personifizierten Vorlage für die Lotte im Werther. Nach einer kurzen Schwärmerei für Maximiliane LaRoche auf Ehrenbreitstein gipfelte das Ganze in die Verlobung mit Lili Schönemann in Offenbach. Als diese Verlobung von Goethe aus fadenscheinigen Gründen gelöst wurde, gab es eine kurze Affäre mit Barbara Schultheß während seiner Schweizreise, bevor er dann nach Weimar kam und die lange, sagenumwobene Beziehung mit Charlotte von Stein einging. Diese beschäftigte ihn offensichtlich so intensiv, dass es 13 Jahre lang keine anderen Frauengeschichten gab, zumindest wurden keine aktenkundig. Nach seiner Rückkehr aus Italien traf er dann Christiane Vulpius, die er bekanntermaßen später heiratete. Während seiner Ehe gab es nachweislich einen Flirt mit Wilhelmine Herzlieb in Jena sowie die Liebesbeziehung zu Marianne von Willemer, zu dieser Zeit 31 Jahre alt, er Mitte 60. Nach dem Tod von Christiane traf Goethe in Karlsbad dann Ulrike von Levetzow, 19 Jahre alt, der der 74-Jährige einen Heiratsantrag machte.«
»Und – hat sie eingewilligt?«, fragte Sophie gespannt.
»Natürlich nicht«, antwortete ich entrüstet, »auch wenn es damals durchaus üblich war, dass wesentlich ältere Männer relativ junge Damen heirateten, aber das war dann doch zu viel!«
Wir lachten und stießen an.
»Sah er denn auch gut aus, ich meine, stattlich und attraktiv, oder war es eher der Erfolg und Ruhm, der anziehend wirkte?«, meldete sich nun die nicht minder neugierige Hanna zu Wort.
»Gute Frage«, gab ich zurück und wiegte den Kopf hin und her, »wenn man seine Abbildungen betrachtet, würde man aus heutiger Sicht nicht
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