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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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früher … in Betracht gezogen?«
    Hermann sah ihn achselzuckend an: »Eine Tür von Achtzehnhundertirgendwas – da denkt doch niemand, dass die überhaupt noch funktioniert, geschweige denn, den Zugang zum Nachbarhaus ermöglicht!«
    Benno sah Siggi an, halb fragend, halb vorwurfsvoll. Siggi wich seinem Blick aus.
    »Und wie kam er in das Nachbarhaus?«, fragte ich.
    »Das wissen wir nach wie vor nicht – Wenzel muss uns morgen eine offizielle Zugangsberechtigung besorgen. Aber uns ist immerhin bekannt, wo er in das Nachbarhaus eingedrungen ist.«
    Ich war vollkommen perplex. Gerade eben im tiefsten Jammertal, und nun entwickelten sich die Erkenntnisse plötzlich in rasantem Tempo.
    »Er kam durch den Garten!«, sagte Hermann mit Nachdruck.
    Siggi und ich wechselten einen Blick.
    »Ja, er hat eindeutig die Tür in der Mauer zwischen den Nebengebäuden und dem Coudray’schen Torhaus geöffnet, ist dann ein paar Schritte durch den Garten gelaufen, hat die Hintertür des Nebengebäudes geöffnet, wie, ist weiterhin unklar, und ist dann in den Keller eingedrungen. Alles sehr professionell, kaum zu sehen, aber eindeutig nachweisbar.«
    »Nicht zu fassen …« Siggi konnte es kaum glauben. »Das war das Türenschlagen, das Hendrik gehört hat. Der ist tatsächlich zweimal an uns vorbeigelaufen!«
    »Moment mal, er ist nur einmal an uns vorbeigelaufen«, korrigierte ich, »beim zweiten Mal hast du ihn bemerkt.«
    »Stimmt, aber trotzdem ist er entkommen. Ich möchte nur wissen, wie er das gemacht hat!«
    Hermann dachte nach: »In Richtung Steubenstraße hätten wir ihn geschnappt, das zeigt die Festnahme des Landstreichers. In Richtung Frauenplan hätten wir ihn auch gehabt, da hatten wir genug Leute.«
    »Er kann also nur in die Ackerwand rein sein«, warf Siggi ein.
    »Stimmt!«
    »Aber da war doch Weimar 2«, warf ich ein.
    »Ja, schon«, entgegnete Hermann, »doch die standen in der Tiefgarage unter dem Beethovenplatz, zwecks Tarnung. Deswegen brauchten sie einen Moment länger als die anderen. Vielleicht war das der kurze Moment, den er zur Flucht nutzte.«
    »Aber wohin?
    Wir tranken unser Bier und grübelten. Keiner hatte eine Antwort.
    »Und noch etwas …« Hermann hatte einen weiteren Trumpf im Ärmel.
    Wir stellten die Gläser wieder ab.
    »Die Sicherung im Keller ist nicht durch Zufall herausgesprungen. Er hat sie ausgeschaltet.«
    »Was?« Benno riss die Augen auf. Nervös zupfte er sich am Kinnbart.
    »Entweder hat er von unserer Aktion Wind bekommen, oder es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Deshalb kein Alarm und keine Videoaufzeichnung.«
    »Scheiße.«
    »Verdammte Scheiße!«
    »Bitte noch fünf Ehringsdorfer.«
    Der Schlosswirt machte inzwischen ein wesentlich freundlicheres Gesicht. Er war nicht gerade vom Erfolg verwöhnt hier draußen.
    »Woher wissen Sie das?«, fragte ich.
    »An den Sicherungen haben wir Talkumspuren gefunden.«
    »Aha!«
    »Übrigens … Herr Wilmut, Sie haben ein gutes Gehör. Er hat tatsächlich Klavier gespielt.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, auf dem alten Flügel im … äh …«
    »Junozimmer«, ergänzte ich.
    »Genau, auch dort haben wir Talkumspuren gefunden.«
    »Nicht zu glauben«, Siggi schüttelte den Kopf, »da klaut der Kerl wie ein Rabe und spielt währenddessen auch noch Klavier. Ich fasse es nicht!«
    »Ich kann das schon verstehen«, sagte der Psychologe zu unserer großen Verwunderung, »das ist eben unser Mann. Er hat seine eigene Gedankenwelt. Und die will er uns zeigen. Er will persönliche Gegenstände von Goethe besitzen, er will sich in seinem Haus aufhalten, auf seinem Flügel spielen … ich weiß nicht, was noch alles. Vielleicht in seinem Bett schlafen.«
    »Aber das war doch sehr riskant«, entgegnete ich.
    »Ja, allerdings. Er spielt mit uns, er führt uns vor. Und er spielt mit dem Feuer … er wird unvorsichtig, fühlt sich allmächtig – das ist gut für uns. Diesmal war es knapp, das nächste Mal kriegen wir ihn. Und ich denke, er ahnt das. Auf eine Art wünscht er sich womöglich sogar, dass wir ihn erwischen.«
    Siggi sah ihn überrascht an: »Sie meinen, er legt es darauf an, sich erwischen zu lassen?«
    »Ja«, bestätigte der Psychologe und nestelte an seinem Rollkragen, »denn nur wir können ihn von seinem Zwang befreien.«
    Ich nickte. Die Einschätzung des Psychologen schien mir plausibel.
    »Aber wie sollen wir das machen?«, fragte Benno. »Jetzt ist er doch gewarnt und wird sicher nicht erneut ins Goethehaus eindringen!«
    »Wir

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