Goetheruh
einen Schluck Wasser. »Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben: Ich mache mir Sorgen – zum einen weil dies meine Stadt ist, ich bin hier geboren … woher stammen Sie, Herr Wilmut?«
Ich zögerte. »Äh … aus Weimar, ich bin ebenfalls hier geboren.«
Er vermittelte den Eindruck, als hätte er nichts anderes erwartet. »Und zweitens weil meine Tochter hier lebt, sie arbeitet als Lehrerin. Außerdem ist das Goethehaus ein Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens und der Imageschaden, den dieser Mensch unserer Stadt zugefügt hat, ist erheblich.«
Eigentlich hätte ich allen Grund gehabt, beeindruckt zu sein. Doch meine bisherigen Erfahrungen mit Politikern machten mich misstrauisch.
In diesem Moment ertönte Mission Impossible. Ich hatte vergessen, mein Handy auszustellen. Ein kurzer Blick auf das Display genügte – es war Hanna.
»Entschuldigen Sie, meine Freundin«, raunte ich Adler zu und drückte die grüne Taste.
»Hendrik, ich muss dringend mit dir reden.« Hanna klang leicht unterkühlt.
»Hallo, Hanna, entschuldige bitte, ich habe dir auch eine Menge zu sagen, aber ich bin gerade im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten …«
»Und ich habe einen Termin beim Bundeskanzler!«, entgegnete sie verärgert und legte auf.
Damit war meine innere Ruhe dahin. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und geradewegs zu Hanna gelaufen. Aber auch John wartete noch auf mich. Ich fühlte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat.
»Probleme?«, fragte Adler knapp.
Ich winkte ab. »Offensichtlich glaubt sie nicht, dass ich hier mit Ihnen sitze.«
Adler lächelte. »Hier haben Sie meine Visitenkarte, vielleicht hilft Ihnen das weiter!« Er schrieb ›Für Hanna‹ darauf und reichte mir die Karte.
Damit hatte er mich gewonnen. Trotz meines Fluchtimpulses blieb ich sitzen und wir diskutierten eine Weile über den Fall. Adler interessierte sich natürlich besonders für den Verbleib der geraubten Gegenstände.
»Wenn man nur wüsste, was er mit den Exponaten vorhat!«, sagte er besorgt.
»Da bin ich ehrlich gesagt ganz zuversichtlich«, antwortete ich.
»Wie bitte?«
»Schauen Sie, er hat ausschließlich Werke geraubt, die in engem thematischen Zusammenhang mit Leben und Schaffen Goethes stehen, zum Teil von Goethe selbst angefertigt. Es sieht so aus, als fühlte er sich ein wenig wie … Goethes Stellvertreter, der diese besonderen Werke sozusagen in Schutzhaft nehmen will. Ich bin deswegen überzeugt, sobald wir den Täter haben, haben wir auch die gestohlenen Ausstellungsstücke, und zwar unversehrt.«
Der Ministerpräsident schien ebenso wenig von dieser Theorie überzeugt zu sein wie die Kollegen des Expertengremiums zuvor. Kurz darauf piepste mein Handy und meldete eine eingehende SMS.
»Meine Güte, was ist denn heute los?« Es war mir peinlich, erneut für eine Unterbrechung zu sorgen.
»Das ist bestimmt Hanna«, mutmaßte Adler lächelnd.
Doch es war Kommissar Hermann, der bereits erste Ergebnisse lieferte. Ich las laut vor: »Er spielt Klavier, Lehrer unklar, Deutschlehrerin Clarissa Singer, Weimar, Bechsteinstraße 5.«
»Wessen Deutschlehrerin?«, fragte der Ministerpräsident. Er schien plötzlich sehr aufgeregt zu sein.
»Die von Jens Werner Gensing, unserem Hauptverdächtigen«, antwortete ich verwundert.
»Oh Gott!« Adlers Bräune war schlagartig aus seinem Gesicht gewichen. »Clarissa Singer ist meine Tochter!«
Ich war entsetzt. Hatte die Tochter des Ministerpräsidenten etwas mit unserem Fall zu tun? War sie in Gefahr? Adler wirkte komplett verändert. Der souveräne Politiker war zum besorgten Familienvater geworden.
Siggi reagierte sofort. Seine professionelle Art schätzte ich immer mehr. Er griff zum Telefon und rief Hermann an. »Schicken Sie sofort zwei Beamte in die Bechsteinstraße 5 zu Clarissa Singer. Ja, Singer, Clarissa. Personenschutz ab sofort rund um die Uhr … ja, nein, Hermann, das erzähle ich Ihnen später.«
Hermann schien nicht begeistert zu sein.
»Das ist mir egal, wo Sie die Beamten hernehmen!«, rief Siggi verärgert ins Telefon, »Jetzt sofort werden dort zwei Mann gebraucht und das hat allerhöchste Priorität, ist das klar?«
Nun schien auch Hermann die Dringlichkeit einzusehen. Siggi legte auf.
»Herr Ministerpräsident, es ist vielleicht am besten, Sie informieren Ihre Tochter selbst, wir haben noch kurz etwas zu erledigen und sind in einer halben Stunde bei ihr.«
Adler nickte. Benno versuchte, ihm Mut zuzusprechen.
Siggi ging zur
Weitere Kostenlose Bücher