sehr großen Einfluss auf ihn, und sie ist eine vehemente Verfechterin der Reinkarnationsphilosophie. Das hat sie mir selbst bestätigt.«
Peter Gärtner starrte mich weiterhin ungläubig an. Jetzt war es an der Zeit, meinen Trumpf aus dem Ärmel zu ziehen.
»Was Jens Gensing in seiner Meinung, die Reinkarnation von Goethe zu sein, bestärken könnte, ist sein voller Name«, erklärte ich.
»Wie, was?«
»Was meinen Sie damit?«
Der Psychologe und Göschke sahen mich verwirrt an. Der OB und Onkel Leo schüttelten unwillig den Kopf.
Ich holte tief Luft. »Er heißt mit vollem Namen Jens Werner Gensing, woraus sich die Initialen JWG ergeben!«
»JWG?«, wiederholte Gärtner, »so wie Johann Wolfgang Goethe?«
»So wie unsere Sonderkommission?«, schnarrte das Fagott.
»Richtig«, erwiderte ich, »und so wie die E-Mail-Adresse des Täters: ›
[email protected]‹. Das Kürzel jwg2 interpretiere ich dabei als zweiter Goethe!«
Einen Moment herrschte Stille. Die Autorität des Oberbürgermeisters zog automatisch alle Blicke auf sich.
»So gesehen könnten Sie recht haben«, meinte er zögernd.
»Finde ich auch«, ergänzte Onkel Leo, »gute Arbeit, mein Junge!«
Das Wichtigste jedoch war die Zustimmung des Psychologen. Gespannt wartete ich auf sein Urteil.
»Hat die Ärztin etwas von Apperzeptionsstörungen und eventuell einer psychomotorischer Verlangsamung gesagt?«
»Soweit ich mich erinnere sprach sie von ausgeprägten Wahrnehmungsstörungen und einer Art … Funktionsverlangsamung.«
»Aha … ja, das passt zusammen.« Er überlegte. »Wie lautet die exakte Diagnose der Ärztin?«
Ich zog einen zerknitterten Notizzettel aus der Hosentasche. »Sie bezeichnete es als … dissoziative Störung.«
»Und gibt es Zusammenhänge mit irgendwelchen Ereignissen in seiner Kindheit?«
»Bis jetzt hatten wir keine Gelegenheit, uns ausführlich damit zu befassen …«
»Doch!«
Verwundert drehte ich mich zu Siggi um. »Hat Ella etwas gefunden?«
»Aber Hallo!« Er grinste spitzbübisch.
»Wer ist Ella?«, wollte Benno wissen.
»Eine Kollegin aus unserem Archiv«, antwortete Siggi, »sie hat herausgefunden, dass die Krankheit von Jens Gensing ausbrach, als im Dezember 1989, direkt nach der Wende, sein Großvater plötzlich wieder auftauchte!«
»Was heißt ›auftauchte‹, wo war er denn vorher?« Ich war höchst angespannt.
»Das wissen wir nicht. Seltsamerweise gibt es aus der DDR-Zeit keinerlei Akten über ihn, nicht beim Rat der Stadt, nicht bei den Kirchengemeinden – nirgends.«
»Und was schließt du daraus?«
Siggi zuckte mit den Schultern.
Das Fagott begann sich aufzublasen und meinte: »Das ist recht einfach: Entweder er befand sich im Westen – sozusagen untergetaucht – oder er saß in einem Stasi-Gefängnis.«
Das klang für mich plausibel. »Ich denke, wir sollten das herausfinden; was meinen Sie, Herr Kriminalrat?«
»Aber natürlich. Ella erhält einen offiziellen Auftrag. Dorst, kümmern Sie sich darum!«
Siggi machte eine zustimmende Handbewegung und dachte sich seinen Teil. Ich beschloss, nie wieder in ein klassisches Konzert zu gehen, nur um kein Fagott mehr hören zu müssen. Es fehlte weiterhin der endgültige Segen des Psychologen. Ich blickte ihn fragend an.
»Ich bin immer für praktische Lösungen«, meinte er nachdenklich, »die Hinweise von Herrn Wilmut sprechen sehr stark für Jens Gensing als Täter. Die Beeinflussung durch die Reinkarnationstheorie seiner Mutter und die Diagnose der Ärztin passen zusammen. Ich werde mit dieser Frau Doktor …«
»Schlipsack!«, ergänzte ich.
»Ich werde also mit Frau Doktor Schlipsack Kontakt aufnehmen. Wir sollten uns auf Jens Gensing konzentrieren, müssen aber dafür offen bleiben, dass es auch jemand anders gewesen sein kann!«
Benno stand auf: »Dann an die Arbeit, und vielen Dank für deine Hilfe, Hendrik. Morgen kommt der Ministerpräsident und ich werde ihm über alle Details Bericht erstatten. Die Sitzung ist beendet!«
Es war fast 12 Uhr mittags und ich war hundemüde. Die Ereignisse in Großkochberg hatten mich mehr mitgenommen als ich zunächst zugeben wollte. Während ich mein Auto aufschloss, hörte ich Benno nach mir rufen.
»Hendrik … warte mal bitte …«
Ich drehte mich um.
»Wir müssen zu Felix … wir müssen ihm das sagen!«
»Meinst du wirklich?«
»Ja!«
Ich überlegte einen Moment. Mein Gehirn war müde und träge.
»Ich, also … ich finde, wir sollten einen Tag abwarten. Die Sache ist zu heikel.