Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Pfund
Kaffee. Die brasilianische Mischung.
»Ich
dachte, du hättest unterwegs vielleicht Lust auf einen Espresso«, meinte Hanna
so ganz nebenbei.
Ich sah
sie entgeistert an. Dann atmete ich tief durch. »Das ist ja eine gute Idee.«
»Finde
ich auch«, antwortete Hanna.
Dann
lachten wir beide und umarmten uns. Der Rucksack leerte sich, mein Knie blieb
geschwollen. Als wir gegen 18 Uhr wieder zu Hause ankamen, dachte ich, dieser
schöne Tag wäre damit beendet, ich könnte meine Beine hochlegen und später
Tatort schauen. Doch da hatte ich mich getäuscht. Kaum hatten wir unsere Sachen
abgestellt, klingelte das Telefon. Hanna nahm ab. Den Gesprächsfetzen zu
entnehmen, musste es Sophie sein. Ich schaltete die Espressomaschine ein. Noch
bevor die ECM-4 aufgeheizt war, legte Hanna auf. Sie sah blass aus.
»Das
war Sophie, sie möchte sich mit uns treffen, heute Abend noch, es ist wichtig.«
»Kannst
du das nicht allein machen?«, fragte ich. »Du weißt doch, mein Knie … und
morgen fahre ich nach Frankfurt.«
»Tut
mir leid, aber das geht nicht. Sie hat ausdrücklich gebeten, dass du mitkommst.
Es geht um Benno.«
»Um
Benno? Müssen wir jetzt deren Eheprobleme besprechen …«
»Bitte,
Hendrik, es ist wichtig. Sehr wichtig.«
»Weißt
du, um was es geht?«
»Ja,
aber ich möchte wirklich, dass Sophie es dir erzählt, mit ihren eigenen
Worten.« Ich schüttelte unwillig den Kopf. Hanna legte die Arme um meinen
Nacken. »Bitte!«
Ich
nickte. »Wo?«
»Bei
Pepe in einer Stunde.«
Zur
Akzeptanz all dieser seltsamen Umstände benötigte ich einen Espresso. Nicht
ohne zuvor die Tassen zu spülen, den Siebträger zu säubern und die fünf
Schubladen zu reinigen, in die Kaffee hineingelaufen war.
Pepes Pizzeria befand sich in
der Windischen Straße unweit des Marktplatzes. Hier hatten wir schon viel Zeit
zugebracht, gut gegessen, getrunken, geredet, Fälle besprochen und Rätsel
gelöst. Die Atmosphäre in Pepes Pizzeria hatte etwas Besonderes, etwas, das die
Gedanken befreite und Ideen in Gang setzte. Vielleicht lag es auch an Pepe oder
seinem Essen, ich habe es nie herausbekommen. Doch ich hätte niemals mit dem
gerechnet, was mich heute Abend hier erwarten sollte.
Sophie
sah schlecht aus. Sie wirkte sehr geknickt, hatte schwarze Ringe unter den Augen,
die dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, so wie ich es noch nie bei
ihr gesehen hatte. Sie setzte sich zu uns, wir hatten bereits Getränke
bestellt.
Pepe
kam an unseren Tisch. »Buona Sera, Signora! Was möchte Sie trinke?« Sein
italienisch gefärbtes Deutsch vermischt mit der thüringischen Sprachmelodie war
eine Wucht.
»Zwei
Averna mit Eis und Zitrone«, antwortete Sophie.
»Signora?«
»Zwei
Averna mit Eis und Zitrone!«
Pepe
zögerte. Ich gab ihm einen Wink. Er entfernte sich.
»Was
ist los, Sophie?«
Sie sah
mich traurig an. »Ohne lange Vorrede: Benno will nach Frankfurt gehen.
Frankfurt am Main. Er wird sich um das Amt des Oberbürgermeisters bewerben.«
Es ist
unmöglich zu beschreiben, was sich in diesem Moment in meinem Inneren
abspielte.
Pepe
kam mit den beiden Averna, stellte einen vor Sophie ab, den anderen vor mir.
Ich wartete, bis sie das erste Glas geleert hatte, dann schob ich ihr das
zweite über den Tisch. »Sophie, ich bin geschockt. Das muss ich zugeben. Darf
ich dich etwas fragen – ebenso ohne lange Vorrede?«
Sie
nickte. Die Tränen liefen ihr herunter. Hanna hielt ihre Hand.
»Habt
ihr beiden das besprochen und zusammen entschieden, oder war das Bennos einsame
Entscheidung, die er dir mitgeteilt hat?«
Sie
trocknete sich die Tränen. »Das ist genau der Punkt. Er hat das allein
entschieden, nicht ein einziges Mal mit mir besprochen. Stellt euch vor: nicht
ein einziges Mal! Das hat er noch nie gemacht, wir haben solche wichtigen Dinge
sonst immer gemeinsam beschlossen, wie richtige Eheleute, ihr wisst schon.«
Wir
nickten.
»Jetzt
bespricht er alles mit diesem Reinhardt Liebrich …«
»Was?«
»Ja
natürlich. Die beiden sind ganz dicke Freunde geworden, innerhalb weniger Tage.
Ich verstehe das nicht, Hendrik, du hättest ihm nie so etwas eingeredet.«
»Moment
mal, heißt das, Liebrich hat ihm geraten, sich in Frankfurt zu bewerben?«
»Genau.«
Hanna
und ich sahen uns fassungslos an.
Pepe
kam vorbei. »Wollet was esse?«
»Jetzt
nicht, Pepe.«
»Liebrich
hat gemeint, er kenne viele Leute in Frankfurt und könne ihm bei der Bewerbung
helfen«, fuhr Sophie fort. »Und Benno sei hier ja
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