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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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wollte ihr die wahre Geschichte nicht so nebenbei am Telefon
erzählen, sondern persönlich, in Ruhe, zu Hause. Deswegen bestätigte ich
kurzerhand die Akkuvariante – diese kleine Notlüge würde sie mir hoffentlich
nicht übelnehmen – und freute mich auf einen gemütlichen Abend zu Hause.
    Siggi
stellte seinen Wagen in der Puschkinstraße nahe der Musikhochschule ab. Wir
gingen die paar Schritte hinunter zum Marktplatz. In der Schillerstraße
herrschte bereits reger Betrieb und die beiden Grillroste wurden angeheizt. Als
wir die Treppe zum Ratskeller hinunterstiegen, bemerkte ich, dass ich
verschwitzt und unrasiert war. Und ich meinte, nach Bier zu riechen.
    »Stimmt!«,
sagte Siggi lachend. »Dafür trägst du aber einen schwarzen Anzug.« Er musterte
mich. »Zumindest waschen und kämmen könntest du dich. Ich warte hier.«
    Ich
nickte und verschwand in der Herrentoilette, nicht ohne mich vor dem Betreten
des Raums zu versichern, dass es wirklich die Toilette war. Schon wieder in
einem Keller. Aber diesmal war alles in Ordnung. Ich wusch mir ausführlich die
Hände und das Gesicht, fuhr mir mit dem kleinen Taschenkamm durchs Haar und
ordnete den Anzug.
    Siggi
nickte zufrieden. »Deutlich besser. Komm, Lehnert wartet sicher schon.«
    Mit
allen hätte ich gerechnet, mit Siggis Freundin Ella, mit Liebrich, Ewa Janowska
oder Nicoletta Berlinger. Aber nicht mit Kriminalrat Lehnert. Schließlich war
ich offiziell vom Fall Pajak ausgeschlossen worden.
    Wir
betraten die Gaststube. Tatsächlich: Dort saß Kriminalrat Lehnert, wie immer im
Geschäftsanzug, weißes Hemd, rote Krawatte. Wir begrüßten uns. Ich war immer
noch so verblüfft, dass ich stehen blieb und ihn anstarrte.
    »Haben
Sie Hunger, Herr Wilmut?«, fragte Lehnert.
    »Ja,
allerdings, ich habe einen Mor… also ich meine, einen mor…gendlichen
Riesenhunger.«
    »Dann
sollten Sie sich setzen, sonst werden Sie nicht bedient.«
    Kaum
hatte ich Platz genommen, stand schon ein Espresso vor mir. Der Kellner
lächelte. »Herr Kriminalrat hat mich vorgewarnt. Ohne Espresso seien Sie
ungenießbar. Dieser hier kommt aus dem Central Valley, Costa Rica, sortenreiner
Arabica, angereichert mit zehn Prozent vietnamesischem Robusta. Wohl bekomms.
Alle anderen Frühstückszutaten entnehmen Sie bitte der Speisenkarte.« Damit
drehte er sich stilsicher um und verschwand, ohne neugierig auf meine Reaktion
zu warten.
    Ich sah
Lehnert überrascht an.
    »Trinken
Sie!«, meinte er. »Sonst wird er kalt.«
    Ich
folgte auch diesem Vorschlag. Langsam und heiß rann der Espresso meine Kehle
hinab. Wärme, Kraft, Energie. All das spürte ich in diesem Moment.
    »Gut?«
    Ich
nickte. »Sehr gut. Sogar besser als mein Espresso zu Hause.«
    »Und
das will was heißen!«, meinte Siggi.
    »Richtig«,
sagte ich. Und an Kriminalrat Lehnert gerichtet: »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich
bin zwar nicht begeistert von Ihrer … Mitwirkung in diesem Fall. Aber
offensichtlich sieht der Täter Sie als wichtige Person an. Dann sollte die
Polizei das auch tun.«
    Der
Kellner kam zurück und wir bestellten ein Frühstück. Ich entschied mich für
Rühreier mit Speck, drei Brötchen, Salami und Mortadella, frische Ananas mit
Joghurt, Orangensaft, einen großen Milchkaffee und ein kleines
Marmeladen-Honig-Karussell.
    »Das
haben Sie sich verdient, Herr Wilmut«, kommentierte Lehnert meine Bestellung,
»nach einer ganzen Nacht ohne Essen und Trinken.« Siggi lächelte in sich
hinein. Ich schwieg. »Erzählen Sie uns bitte genau, was gestern Abend passiert
ist.«
    Ich
berichtete im Detail von allen Vorkommnissen, von dem Raum mit den weißen
Kacheln – wobei ich vergaß zu erzählen, dass es sich um den Vorratsraum des Restaurants
handelte, na ja, das konnte mal passieren –, von der Männerhand mit dem ekligen
Lappen, der blonden Frau im langen schwarzen Kleid, meiner Übelkeit, dem
ruhelosen Schlaf auf den Sektkartons und von Ewa Janowska.«
    »Wer
ist diese Ewa Janowska?«, fragte der Kriminalrat.
    Ich
wollte gerade antworten, als Siggi mir zuvorkam: »Sie ist Polin, geboren in
Krakau, 37 Jahre alt, erste Flötistin im Weimarer Staatsorchester, ledig,
Eltern verstorben, Schulfreundin von Jolanta Pajak. Beide wollten die
Schauspielschule in Warschau besuchen, aber nur Jolanta Pajak bekam einen
Platz. Man munkelt, die Pajak hätte mit unlauteren Mitteln gearbeitet, die
Kollegen in Warschau haben jedoch nichts gefunden und sind der Meinung, dass
alles rechtsstaatlich zuging. Es deutet einiges

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