Götter der Lust
unmöglich gehört haben?»
Die Herzogin lachte. «Dieser Saal ist so gebaut, dass selbst das leiseste Flüstern überall im Raum zu hören ist. Die ursprünglichen Besitzer hielten nichts von Heimlichtuerei.»
Abby rang sich ein verlegenes Lächeln ab und warf Elaine einen entschuldigenden Blick zu, doch die Rothaarige verdrücktesich in die andere Richtung. «Das hat Myles mir gar nicht erzählt», sagte Abby, als sie ihren Weg nach oben fortsetzten.
«Ihr müsst ja ein sehr enges Verhältnis zu Mr. Hardy haben, wenn Ihr ihn so ungeniert bei seinem Vornamen nennt.»
Abby warf ihr einen verständnislosen Blick zu. «Er ist ja auch mein Mann!»
«Schon, aber hat Eure Mutter Euch nicht beigebracht, außerhalb des Schlafgemachs keinerlei Vertraulichkeiten zuzulassen?»
Abby errötete. «Myles – ich meine, Mr. Hardy – macht es einem leicht, das zu vergessen.»
Das brachte die Herzogin zum Lachen. Vielleicht lag Abby damit ja schief, aber sie glaubte, aus ihrer Belustigung auch eine Spur von Neid herauszuhören. Eine Freundin hätte Abby jetzt direkt danach gefragt, aber diese Frau war in jeder Hinsicht eine Fremde, auch aufgrund ihrer durch ihre Zeit bedingten, für Abby nicht nachvollziehbaren Einstellung. Einen Geliebten oder Ehemann nicht beim Vornamen zu nennen – verrückt!
Sie erreichten die Tür zum Zimmer der Herzogin. Abby blieb stehen in der Erwartung, dass diese eintrat, doch sie ging weiter. Abby zeigte auf die Tür. «Ist das nicht …?»
Die Herzogin betrachtete den Raum mit einem, wie es Abby schien, gewissen Überdruss. «Das ist das Zimmer der früheren Herzogin.»
Abby biss sich auf die Zunge. Sie hätte diese Frau am liebsten gefragt, warum sie es zuließ, dass ihre Vorgängerin im Haus noch derart präsent war, aber sie kannte ja noch nicht die ganze Geschichte.
«Wie lange seid Ihr schon verheiratet?», fragte sie stattdessen, nachdem sie zur Herzogin aufgeschlossen hatte.
«Ein knappes Jahr.» Die Herzogin öffnete eine Tür. «Hier wären wir.»
Abby trat ein. Das Zimmer war ebenso geräumig wie das andere und dem Rang einer Herzogin durchaus angemessen. Die offenen Vorhänge ließen frische Luft und das letzte Tageslicht herein. Auf dem Bett lagen schlichte spitzengesäumte weiße Leinenlaken sowie eine üppige Samtdecke, beide am oberen Ende zurückgeschlagen, für den Schlaf der Herzogin bereit.
Die Herzogin ging zu einer anderen Tür und öffnete sie. «Mal sehen, was wir hier haben. Mein Gatte hat darauf bestanden, mir viel zu viele Kleider zu kaufen.»
«Er hat Euch zum Einkaufen aufgefordert?», lachte Abby. «Meistens ist es eher andersherum.»
Die Herzogin lächelte. «Ihr habt wahrscheinlich nicht gehört, dass meine Heirat für mich mit einem großen gesellschaftlichen Aufstieg verbunden war. Mein Gemahl möchte allen zeigen, dass ich der Aufgabe trotzdem gewachsen bin.»
«Ah.» Die unglaublich umfangreiche Garderobe der Herzogin versetzte Abby in Staunen. «Und, seid Ihr glücklich?»
«Das ist eine reichlich unverhohlene Frage, Mrs. Hardy», erwiderte die Herzogin stirnrunzelnd.
Abby seufzte. Sie sollte sich besser an einfache Themen halten. «Tut mir leid, ich schade mir manchmal selber mit meiner Neugier.»
Die Herzogin aber wischte ihre Entschuldigung beiseite. «Wollen wir doch mal sehen, was wir hier haben. Ich denke, meine alten schlichten Kleider könnten Euch stehen. Ich habe sie behalten.»
Sie kniete nieder und zerrte unter mehreren Reihen von Schuhen und Pantoffeln eine kleine Truhe hervor. Sie öffnete sie, zog eine schützende Papierschicht zurück und hielt eineinfaches graues, hochgeschlossenes Kleid hoch. «Wie wäre es mit dem hier?»
Abbay nahm es und hielt es vor sich. «Das gefällt mir. Es ist schön schlicht, ohne jeden Schnickschnack. Myl … Mr. Hardy wird allerdings den Blick in den Ausschnitt vermissen.»
Die Herzogin lächelte zu ihr hoch. «Dafür hat er am Abend noch genug Gelegenheit.» Sie wandte sich wieder der Truhe zu und tauchte mit dem Kopf tief in sie ein. «Mal sehen, ob ich eines meiner Abendkleider finde. Ohne Schultertuch könnte es Eurem Gatten gefallen.»
«Danke.» Abby bekam einen Arm voller Kleider für den Tag und für den Abend.
«Möchtet Ihr –» Die Herzogin blickte auf ihre Füße. «Möchtet Ihr sie nicht lieber gleich anprobieren? Ich kann meine Dienstmagd rufen, wenn es etwas zu ändern gibt.»
«Das würde ich gerne tun.» Sorgfältig legte Abby die Kleider über eine Truhe.
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