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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Gesichtsausdruck seines Freundes holte Yan aus dem Rausch, der ihn durchströmte, und riss ihn aus der Konzentration. Im nächsten Moment streckte ihn die Reglosigkeit nieder.

    Als er erwachte, sah er in Corenns zorniges Gesicht. Dahinter erblickte er Bowbaqs ängstliche Miene. Bei dem Gedanken an die Standpauke, die ihn erwartete, bekam Yan solche Kopfschmerzen, dass er erneut ohnmächtig wurde.
    Als er die Augen zum zweiten Mal aufschlug, gelang es ihm immerhin, bei Bewusstsein zu bleiben. Doch er fühlte sich so elend wie nie zuvor: Er war geschwächt, fror erbärmlich, jede Faser seines Körpers tat ihm weh, und seine Sinne schienen nicht richtig zu funktionieren - abgesehen von dem, der ihm unerbittlich Schmerzen aus allen Körperteilen meldete. Hätte er nicht schon auf dem Rücken gelegen, wäre er zusammengebrochen.
    Er wusste ziemlich genau, was mit ihm los war. Er litt unter der Reglosigkeit, jener tiefen Erschöpfung, die einen Magier nach jedem Gebrauch seines Willens überfiel. Aber noch nie hatte dieser Zustand länger als wenige Augenblicke angedauert, auch wenn er schon einmal für kurze Zeit in Ohnmacht gefallen war. Was er nun empfand, kannte er nur aus Corenns Beschreibung: Er litt unter einer anhaltenden Reglosigkeit, der sogenannten Starre. Sie war die Strafe für einen Magier, der zu viel Kraft aus dem eigenen Körper geschöpft hatte.
    »Yan? Hörst du mich?«, fragte Corenn mit dumpfer Stimme, die klang, als käme sie aus einem Traum.
    Er wollte sprechen, aber seine Kehle war nie ausgetrocknet. Langsam nickte er.
    »Siehst du meinen Finger?«
    Corenn führte den Zeigefinger vor Yans Gesicht hin und her. Mit großer Mühe folgte er der Bewegung mit den Augen, wobei er mehrmals blinzeln musste.
    »Seine Reaktion ist verlangsamt«, sagte Corenn vorwurfsvoll zu Bowbaq. »Er muss sich ausruhen. Jetzt haben
wir zwei Kranke zu versorgen! Ich hoffe, ihr seid stolz auf euch!«
    Yan konnte nicht antworten, aber der Riese sagte schüchtern: »Er hat Miffs Tiefen Geist berührt.«
    »Und für diese Erfahrung nimmt man den eigenen Tod in Kauf?«, fragte sie etwas ruhiger.
    »Nein, nein, Freundin Corenn«, stammelte Bowbaq, der sich am liebsten zugleich entschuldigt und seine Unschuld beteuert hätte. »Er hätte das nicht tun sollen, das stimmt. Ich hätte ihn warnen müssen. Aber trotzdem … Er hat Miffs Tiefen Geist berührt!«
    Da er diesen Satz so beharrlich wiederholte, begriff Corenn allmählich, wie wichtig dies dem Riesen war. Trotzdem kreisten ihre Gedanken vor allem um Yans reglosen Körper. Um seine eiskalten Hände und leeren Augen. Um Létis Schmerz und ihre eigene Mitschuld an seinem Zustand.
    Auch wenn ihr Schüler nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr zu schweben schien, musste sie ihre Neugier zügeln und die Fragen über den Tiefen Geist auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Yan und Bowbaq mussten endlich begreifen, wie gefährlich ihr Tun war, auch wenn sie es noch so aufregend fanden.
    »Das ist mir so egal wie der pelzige Hintern eines Margolins, Bowbaq. Verstehst du nicht, dass Yan den Verstand hätte verlieren können? Dass ihr zu weit gegangen seid?«
    Während Yan dahin hindämmerte, dachte er über Corenns Worte nach. Waren die Erben nicht längst jenseits aller Vernunft? Waren sie nicht schon viel zu weit gegangen? Sie hatten die Grenze des Normalen meilenweit hinter sich gelassen, seit sich die Pforte von Ji auf wundersame Weise geöffnet hatte.

    Als Léti sah, wie schlecht es Yan ging, konnte sie es sich nicht verkneifen, ihre Tante zu verspotten, weil sie sich wegen ihres Kampfunterrichts bei Grigán Sorgen machte. Die Prellungen und kleineren Schnitte, die sie sich dabei regelmäßig zuzog, heilten schnell, und noch nie hatte sie einen ganzen Tag das Bett hüten müssen - ganz im Gegensatz zu dem Magierlehrling.
    Bei ihrer Rückkehr war Lana immer noch ganz hingerissen von der Aufführung der Gaukler, zu der Rey sie mitgenommen hatte. Als die beiden die Herberge betraten, bemerkte Léti, dass der Schauspieler Lana einen Arm um die Schultern gelegt hatte, und sie empfand einen Stich Eifersucht - nicht auf Lana, sondern weil sie und Yan nur selten solche Momente der Zweisamkeit teilten.
    Vor den Morden der Züu, vielleicht … Aber mittlerweile nicht mehr. Was mochte sie ihm bedeuten? Verschwendete Yan überhaupt noch einen Gedanken an eine kleine Kaulanerin wie sie, jetzt, da er weite Teile der bekannten Welt bereist hatte?
    Wie üblich schob sie den quälenden

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