Götter des Meeres
gekommen.
Gerrek sah sich nach dem Tritonen um. Erst jetzt bemerkte er, daß Scida ihm zu Hilfe gekommen war. Die alte Amazone trug einen erbitterten Kampf gegen den Fischmenschen aus.
»Komm hierher!«
Gerrek hörte die Stimme, ohne zu verstehen, was sie rief. Übelkeit hatte sich seiner bemächtigt, und in seiner Brust beschimpften sich zwei Seelen. Die eine war der Mandaler, der Kämpfer, die forderte, niemals aufzugeben und alle Furcht zu überwinden; die andere war der Beuteldrache, dessen Abscheu vor dem Wasser jedermann einleuchten mußte.
»Gerrek, du Narr, worauf wartest du?«
Ich träume, dachte der Mandaler. Das ist Kalisse. Aber die hat sich längst in Sicherheit gebracht.
Er wandte den Kopf, so weit es ihm möglich war. Scida stach noch immer auf den Tritonen ein und parierte dessen mit dem Dreizack geführte Stöße mit bewundernswerter Leichtigkeit. Endlich gelang es ihr, den Gegner zu überlisten.
Tief holte die alte Amazone Luft, bevor sie tauchte. Gerrek sah sie als verzerrten Schatten unmittelbar unter der Oberfläche davonschwimmen.
Im gleichen Moment wurde der Mandaler von hinten unter den Armen gepackt. Vor Schreck glitt er aus und klatschte rücklings ins Wasser. Gurgelnd ging er unter, doch da war jemand, der ihn mit kräftigen Fäusten hochhob.
»Bleib ruhig liegen. Wenn du wie ein Besessener um dich schlägst, machst du es mir noch schwerer.«
»Honga!« krächzte der Beuteldrache und gab sich redliche Mühe, jeden Gedanken an das gräßliche Naß zu verdrängen.
Die Decke schien sich tiefer herabzusenken. Gleich darauf gerieten die ersten zuckenden Muskelstränge in Gerreks Blickfeld.
»Wir haben es fast geschafft«, keuchte Mythor. »Halte dich gut fest.«
Eine deutliche Strömung erfaßte sie. Irgendwo hinter dem Mandaler ertönte ein lauter werdendes Brausen wie von einem kleinen Wasserfall. Das Gefühl, zu fallen, wurde schier übermächtig. Aber es entsprang nur seiner Einbildung.
Mit der Schulter stieß Gerrek gegen eine Wand und wurde leicht herumgetrieben. Keine zwei Schritte neben ihm gähnte eine düstere Öffnung, gerade groß genug, um einen Menschen hindurchzulassen. Aufspritzendes Wasser hing wie ein feiner Schleier in der Luft.
Überaus heftig wurde der Sog. Der Beuteldrache schrie auf, als er Mythors Hände nicht mehr spürte. Dann erst sah er Gudun und Gorma, die auf der anderen Seite der Öffnung einen sicheren Stand gefunden hatten. Kurz bevor er in die Tiefe gerissen wurde, bekamen sie ihn zu fassen.
»Rechts von dir sind Narben in der Wand«, rief Gudun. »Dort kannst du dich festhalten.« Und als Gerrek nicht sofort reagierte, brüllte sie ihn an: »Nun mach schon, du Monstrum! Glaubst du, wir haben nur wegen dir gewartet?«
Scida kam unmittelbar hinter dem Mandaler, dann folgte Mythor. Gerrek stellte fest, daß der Gang sich auf dieser Seite fortsetzte. Er brauchte nur ungefähr eine Körperlänge abzusteigen, um wieder den gewohnten schwammigen Boden unter den Füßen zu haben. In dickem Schwall stürzte das Wasser von oben herab, aber es verteilte sich schnell und stand kaum kniehoch.
Sosona war bereits hier. Die Hexe sah nur kurz auf, als der Beuteldrache neben sie hintrat, dann wandte sie sich wieder Learges zu. Indes war es nicht ihr Handeln, das Gerreks Aufmerksamkeit fesselte, sondern die Veränderung, die mit genau abgegrenzten Bereichen der Wand vor sich ging. Schnell wachsende Geschwüre entstanden dort, und als sie aufbrachen, stürmten Tritonen den Tunnel.
Gerrek zögerte nicht einen Herzschlag lang, sich ihnen entgegenzuwerfen.
*
Drei Gezeiten sind vergangen und mittlerweile habe ich mehr als zweimal so viele Anhänger gefunden, wie ich Finger und Zehen besitze. Aber bislang ist es mir nicht gelungen, in bedeutende Gebiete von Ptaath vorzustoßen. Meine Tätigkeit erschöpft sich im Säubern der Unterwasser-Pferche.
Die Menschen tun mir leid. Viele von ihnen kauern teilnahmslos in den Luftblasen. Diejenigen, aus deren Blicken noch der Wille zum Überleben spricht, schrecken vor unseren Waffen zurück. Ich habe erlebt, wie ein Ausbruchsversuch einer Handvoll Verzweifelter niedergeschlagen wurde.
Mit hastigen Stößen schwimme ich zum nächsten Pferch. Er befindet sich am östlichen Rand der Stadt, unmittelbar neben der alten Straße, die zur Insel Mnora-Lör führt. Die Pflanzen haben hier mehrere Ruinen fast völlig überwuchert und sind fest genug, dem Druck der riesigen Luftblase standzuhalten. Zu meinen Aufgaben gehört es auch,
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